Über die Bedeutung der Treue im Gebet
Es gibt in unserem Leben immer
wieder Zeiten der geistlichen Trockenheit. Zeiten, in denen es uns
schwer fällt, zu beten. Deshalb ist eine wichtige Voraussetzung, um gut
zu beten: die Treue zum Gebet, die Treue zu den Gebetsverpflichtungen,
letztlich, die Treue zu Gott. Beten, sogar wenn es schwer fällt. Beten,
selbst wenn man gar nicht in der Stimmung dazu ist.
Ein bekannter Prediger aus dem 19. Jahrhundert, Charles Haddon Spurgeon,
sagte sehr treffend: «Wir sollen beten, wenn wir in einer
Gebetsstimmung sind, denn es wäre Sünde, eine so gute Gelegenheit zu
versäumen. Und wir sollen beten, wenn wir nicht in der rechten Stimmung
sind, denn es wäre gefährlich, in einem so ungesunden Zustand zu
verharren.»
Die Treue zum Gebet hilft uns, auch in schweren Zeiten, in Zeiten der
geistlichen Trockenheit unsere Beziehung zu Gott nicht zu
vernachlässigen, unseren lebendigen Kontakt zu Gott im Gebet nicht
aufzugeben. So ist die Treue im Gebet auch ein Ausdruck der Liebe zu
Gott.
Andererseits braucht es gerade die Treue und Beharrlichkeit im
Bittgebet. Viele Gnaden müssen wir einfach erbeten und eropfern und
dürfen nicht gleich aufgeben, wenn Gott uns scheinbar nicht sofort
erhört.
Der bereits zitierte Charles Haddon Spurgeon zeigt das am Beispiel
seiner Großmutter, die eine ganz treue und beharrliche Beterin war:
«Das Leben meiner Großmutter war ein einziges Lieben und Ertragen von unsagbaren Nöten. Sie lebte an der Seite eines Mannes, der gerade das Gegenteil war: hart, undankbar, ichsüchtig, ein Flucher, der nie zufrieden war. Hatte er einen „schlimmen Tag“, so mussten wir eilends das Haus verlassen. „Kinder, geht schnell, der Nordwind weht“ pflegte die Großmutter zu sagen, und: „Betet für euren Großvater, er geht sonst verloren“. Oft verstanden wir die Großmutter nicht und sagten: „Wenn er so ist, dann hat er es auch nicht anders verdient!“ Als ich einmal zu ihr sagte: „Großmutter, gib doch dein Beten für den Großvater auf, es hat doch keinen Sinn, er wird doch immer nur noch schlimmer zu dir“, da nahm sie mich an der Hand und führte mich in die Küche. Dort stellte sie eine Küchenwaage auf den Tisch und gab mir folgende Erklärung: „Diese Küchenwaage hat zwei Waagschalen. Nun stell dir einmal vor, GOTT habe eine solche Waage für uns bereitgestellt. Hier wird alles, was wir tun gewogen. Und nun stelle dir vor, in der einen Schale sitzt dein hartherziger Großvater. Er hat mit seinem steinernen Herzen schon ein ganz beträchtliches Gewicht. In der anderen Schale aber liegen die schwachen Gebete deiner Großmutter und die von euch Kindern. Vergleichst du so ein Gebet mit dem Gewicht eines Kalenderzettels, so ist dies, im Vergleich mit dem schweren Großvater gar nichts! Nimmst du aber einen Jahreskalender mit 365 Zettelchen, so ist der schon viel schwerer. Und nun denke dir 50 ganze Kalender. Die sind schon gehörig schwer. So lange bete ich jetzt für den Großvater, und sie werden ihn zum Himmel ziehen. Wäre es nicht schade, wenn wir jetzt müde würden in unserem Beten? Wenn du täglich treu mitbetest, wird GOTT uns erhören.“ Und so betete ich noch sieben Jahre mit der Großmutter um die Errettung des Großvaters. Nachdem sie 57 Jahre im Gebet für ihren Mann durchgehalten hatte, nahm der Herr JESUS sie zu sich. Sie starb, ohne die Freude der Bekehrung des Großvaters erlebt zu haben. Erst am Sarg der Großmutter brach der hartherzige Mann nieder und übergab dem Heiland sein Leben. Gerade ich, der ich vor sieben Jahren noch der Großmutter den Rat gegeben hatte, nicht mehr für den Großvater zu beten, durfte mit dem 83-jährigen niederknien und seine Umkehr erleben. Der einst so gefürchtete Tyrann wurde zu einem sanften, liebenden, treu betenden Großvater, der jeden seiner Besucher ermahnte, sein Leben dem Herrn zu übergeben. Das Gewicht der Gebetswaagschale hatte den Großvater doch noch nach oben gezogen.»
Nur: Wie oft hört man: „Ich habe zu wenig Zeit. Die Zeit ist knapp.“ So berichtet eine Legende:
«Besorgt meldeten die Engel dem Schöpfer, dass die Menschen fast gänzlich aufgehört hätten zu beten. Daraufhin beschloss Gott, die Ursachen durch eine Schar von Engeln untersuchen zu lassen. Die-se berichteten folgendes: Die Menschen wissen um das Fehlen ihrer Gebete und beklagen es. Aber leider hätten sie trotz ihres guten Willens einfach keine Zeit zum Beten. Im Himmel war man verblüfft und erleichtert: Statt des befürchteten Abfalls handelte es sich also nur um ein Zeitproblem! Die Engel überlegten hin und her, was zu tun sei. Einige meinten, man solle durch entsprechende Maßnahmen das moderne, hektische Leben abschaffen. Eine Gruppe schlug sogar eine Bestrafung der Menschen vor. Schließlich einigte man sich auf den Vorschlag eines Engels: Gott solle den Tag verlängern! Zur Überraschung aller war dieser einverstanden. Er schuf eine fündundzwanzigste Tages-Stunde. Im Himmel herrschte Freude: «So ist Gott eben», sagte man, «Er hat Verständnis für seine Geschöpfe.»Als man auf der Erde zu merken begann, dass der Tag eine Stunde länger dauerte, waren die Menschen verblüfft und, als sie den Grund erfuhren, von Dankbarkeit erfüllt. Erste Reaktionen waren vielversprechend: Es werde zwar einige Zeit dauern, so hörte man aus informierten Kreisen, bis die Anpassung vollzogen sei, aber dann werde sich alles einspielen. Im Himmel wich die anfängliche Freude bald der Ernüchterung. Wider alle Erwartung kamen im Himmel nicht mehr Gebete an als bisher, und so sandte man wiederum Boten zur Erde. Diese berichteten:Die Geschäftsleute ließen sagen, die 25. Stunde - für die man sich durchaus zu Dank verpflichtet sehe - habe durch die Umstellung der Organisation Kosten verursacht. Durch erhöhten Einsatz müssten diese Kosten eingearbeitet werden. Man bitte um Verständnis für diese Sachzwänge.Ein anderer Engel war bei der Gewerkschaft. Erstaunt, aber doch höflich wurde er angehört. Dann erklärte man ihm, die neue Stunde entspreche eigentlich einer längst überfälligen Forderung der Gewerkschaft. Im Interesse der Arbeitnehmer müsse sie für die Erholung freigehalten werden.In Kreisen der Intellektuellen wurde über die neue Stunde viel diskutiert. In einer vielbeachteten Gesprächsrunde im Fernsehen wurde vor allem darauf hingewiesen, dass dem mündigen Bürger niemand vorschreiben könne, was er mit dieser Stunde zu tun habe. Die Idee der Bischöfe, sie als «Stunde Gottes» im Bewusstsein der Menschen zu verankern, müsse als autoritäre Bevormundung zurückgewiesen werden. Im übrigen sei die Untersuchung darüber, wie die neue Zeiteinheit entstanden sei, nicht abgeschlossen. Naiv-religiöse Deutungen aber könnten dem Menschen auf keinen Fall zugemutet werden.Dem Engel aber, der zu den kirchlichen Kreisen gesandt worden war, wurde bedeutet, dass man ohnehin bete. Der Eingriff des Himmels, so sagte man, dürfe auf jeden Fall nur als ein Angebot verstanden werden, als ein Element der persönlichen Gewissensentscheidung. Einige gingen noch weiter und sagten, aus der Sicht der kirchlichen Basis sei die ganze Angelegenheit kritisch zu bewerten: Die Zweckbindung der 25. Stunde zugunsten des Gebets sei eng und könne auf gar keinen Fall «von oben» verfügt werden, d.h. ohne entsprechende Meinungsbildung «von unten».Und so hatten eigentlich fast alle einen Grund, warum die dazu gewonnene Tagesstunde nicht dem Gebet gewidmet sein könne.Einige Engel aber berichteten von Menschen, die die geschenkte Zeit wie jede andere Stunde ihres Lebens aus den Händen Gottes annahmen: Für ihre Aufgaben, für den Dienst an den Mitmenschen, für die Teilnahme an der heiligen Messe und - für das Gebet, für das sie jetzt noch leichter Zeit fanden als bisher. Darüber waren die Engel freilich auch verwundert: Diejenigen, die die 25. Stunde tatsächlich in den Dienst Gottes stellten, waren dieselben, die schon bisher genügend Zeit zum Beten gehabt hatten.So erkannte der himmlische Rat: Das Gebet ist eine Frage der Liebe. Zeit allein bringt kein Beter hervor. Diejenigen, die nicht beten wollen, werden auch mit einem längeren Tag «keine Zeit» zum Beten finden. Zeit haben, genau besehen, immer nur die Liebenden.Daraufhin wurde beschlossen, Gott zu bitten, die 25. Stunde wieder abzuschaffen und auch die Erinnerung daran aus den Köpfen der Menschen zu löschen. Und so geschah es.»
Veröffentlicht in: „SCHWEIZERISCHEs KATHOLISCHES SONNTAGSBLATT“ (SKS 50) vom 16.12.07
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