Pfingstpredigt
von Weihbischof P. Dr. Athanasius Schneider ORC,
(Astana/Kasachstan) in Maria Vesperbild
Am Abend dieses hochheiligen
Pfingstfestes hat uns unsere liebe Gottesmutter Maria hier an diesem heiligen,
ihr geweihten Ort, zusammengeführt. Wir sind heute hierher aus verschiedenen
Orten gekommen und der Bischof, der dieses Messopfer feiert, ist aus dem fernen
Kasachstan gekommen, gleichsam aus einem anderen Ende der Welt. Und es sind
hier heute Menschen verschiedenen Alters, von ganz klein bis groß, Menschen
verschiedener Berufe und Stände. Wir sind alle zu unserer Mutter gekommen, weil
wir alle ihre Kinder sind. Um sie herum bilden wir wahrhaft eine Familie, und
wenn wir Kinder um unsere Mutter geschart sind, dann schauen wir alle auf sie
und dann verschwinden alle äußeren Unterschiede zwischen uns, denn vor Maria,
unserer gemeinsamen Mutter, fühlen wir uns alle als kleine Kinder und deshalb untereinander
als einander liebende Brüder und Schwestern, als wahre Marienkinder.
Je mehr wir vor Gott Kinder und
auch Kinder Mariens werden in der Reinheit und Schlichtheit unseres
katholischen Glaubens, desto mehr geschieht Erneuerung und Reform der Kirche,
desto mehr ist Pfingsten. Je mehr
Gremien, je mehr Sitzungen, je mehr Furcht und Minderwertigkeitskomplexe vor
der öffentlichen Meinung, vor dem politisch Korrekten, desto weniger echte Reform
der Kirche, desto weiter ist man vom wahren Pfingsten entfernt.
Erlauben Sie, Ihnen einige
Beispiele pfingstlichen kirchlichen Lebens zu schildern, und zwar aus Zeiten
und Orten, in denen Katholiken verfolgt wurden, so z.B. in der Sowjetunion. In
Karaganda, der einstigen geistigen Hauptstadt Kasachstans, die zugleich die
Zentrale eines großen stalinistischen Gulags war, haben vor etwa 35 Jahren
deutsche Katholiken das Wagnis auf sich genommen, ein neues Gotteshaus zu
errichten. Nach vielen Schikanen gaben die Behörden die Erlaubnis dazu, jedoch
mit der Auflage, dass das Gebäude von außen niedrig sein muss, ebenerdig wie
eine einfache Halle, ohne Turm und ohne Kreuz. Die Gläubigen haben sich sofort
an die Arbeit gemacht und buchstäblich Tag und Nacht gearbeitet. Selbst alte
Frauen und Kinder haben Stein, Zement und Sand in Eimern geschleppt. Nach zwei
Jahren wurde die Kirche fertig. Man hatte tiefer gegraben, um sie innen höher
zu machen, denn die Behörden haben ja nicht verboten, in die Erde zu graben.
Innen haben die Gläubigen die Kirche liebevoll bis in die kleinsten Details mit
sakraler Schönheit ausgestattet.
In jener Zeit lebte dort der
Geheimbischof, der Diener Gottes Alexander Chira. Die Gläubigen wussten nicht,
dass er ein Bischof war, alle nannten ihn Pater Alexander. Nur der Papst, der
KGB und einige wenige Eingeweihten wussten, dass er ein Bischof war. Als der
Tag der Einweihung immer näher kam, fragten die Gläubigen: „Pater Alexander,
wir haben keinen Bischof, wer wird uns die Kirche konsekrieren?“. Er
antwortete: „Gott wird dafür schon sorgen“. Als dann am Tag der Einweihung Pater
Alexander mit Mitra und Hirtenstab einzog und die Gläubigen ihren Pater so zum
ersten Mal sahen, haben alle geweint. Eine alte Frau, die damals dabei war,
erzählte mir: „Bei jener Kirchweihe sind mehr Tränen geflossen, als Weihwasser
gesprengt wurde!“ Ja, das war wirklich ein Pfingsten, das war echte Reform der
Kirche ohne viele Kommissionen und Diskussionsrunden!
Ein anderes Beispiel stammt aus
der Geschichte der irischen Katholiken, die durch ihre Glaubenstreue berühmt
wurden und bei denen heuer der Eucharistische Weltkongress stattfinden wird.
Der bekannte französische Schriftsteller, Graf Charles de Montalembert, war im
Jahre 1830 Augenzeuge folgender Begebenheit in Irland, welche er auch
schriftlich in folgenden Worten festgehalten hat:
„Ich kann nie jene erste Messe
vergessen, der ich in einer Landkapelle beigewohnt habe. Ich ritt zu Pferd bis
zum Fuß eines Hügels. Ich stieg ab und nach nur einigen Schritten wurde ich aufmerksam
auf die kniende Gestalt eines Mannes. Nach und nach wurden andere Männer sichtbar,
alle in derselben Körperhaltung. Je mehr ich den Hügel hinaufstieg, desto größer
wurde die Zahl jener knienden Bauern. Endlich oben auf dem Hügel sah ich ein
Gebäude in Kreuzesform, das notdürftig aus Stein gebaut war, jedoch ohne Mörtel
und nur mit Stroh bedeckt. Rund um die Kapelle war eine kniende Menge von
robusten Männern, die alle barhäuptig waren, ungeachtet des strömenden Regens. Der
Schlamm war unter ihren Füßen. Ein tiefes Schweigen herrschte ringsherum. Es
war die katholische Kapelle von Blarney und der Priester feierte gerade die Messe.
Ich kam im Augenblick der Wandlung an, als die Hostie erhoben wurde, und jene
ganze fromme Versammlung war mit ihrem Gesicht bis zum Boden verneigt. Ich
strengte mich an, unter das Dach der Kapelle zu gelangen, die voll von
anbetenden Menschen war. Es gab keine Stühle, keinen Schmuck, nicht einmal
einen gefliesten Boden. Der Boden war aus Erde, Stein und Feuchtigkeit, und das
Dach war kaputt. Als das heilige Opfer zu Ende war, stieg der Priester aufs
Pferd und floh, denn er wurde verfolgt. Danach erhoben sich die Beter und
gingen schweigend nach Hause. Viele blieben noch eine Weile im Gebet, kniend im
Schlamm in jener schweigenden Umgebung, welche jene treuen und armen Menschen
ausgewählt haben während der Zeit der Verfolgung“.
Was für ein Beispiel des
Glaubens, der Liebe und der Verehrung zu Jesus im heiligsten Altarsakrament! So
ein Beispiel war wiederum ein kleines Pfingsten in der Kirche und eine mächtige
Kraft für eine wahre Reform der Kirche.
Wahres Pfingsten und wahre Reform
in der Kirche setzt nicht nur eine echte und kindliche Marienverehrung voraus,
sondern vor allem auch eine tiefe Verehrung der heiligsten Eucharistie. Maria,
die Unbefleckte und die heilige Menschheit Jesu Christi, d.h. Sein Leib und
Seine Seele, sind die Meisterwerke des Heiligen Geistes. Der heilige Ludwig
Maria Grignion de Monfort sagte sinngemäß: Gott hätte einen schöneren Himmel
und eine schönere Erde erschaffen können, aber nicht eine schönere Mutter,
nicht einen schöneren Leib Christi. Deswegen haben alle Generationen der
Katholiken vom Heiligen Geist erleuchtet so gesungen: „Schönster Herr Jesus“
und „Ganz schön bist Du, Maria!“.
Es ist heute mehr als
offensichtlich, dass die Kirche eine große Krise erlebt, und diese Krise zeigt
sich am greifbarsten in der Krise des Gottesverehrung, der Liturgie, und noch
konkreter in der Krise des eucharistischen Lebens. Diese Krise zeigt sich vor
allem an einigen Wunden am Leib der Kirche von heute.
Eine große Wunde ist die heute
weitverbreitete Art des Kommunionsempfangs, wo der anbetungswürdige Leib
Christi, in dem die ganze Majestät der Gottheit in der so kleinen und zarten
Hostie gegenwärtig ist, ohne erkennbar sakralen Anbetungsgesten empfangen wird.
So eine äußere Form des Kommunionempfangs hinterlässt den Eindruck, als ob man
hier eine gewöhnliche Speise behandelt. Eine gewöhnliche Speise nimmt man nicht
kniend zu sich und ferner lässt man sie sich nicht in den Mund legen, außer bei
Kleinkindern, sondern man führt sie sich selber in den Mund.
Die Engel im Himmel knien vor
Jesus, dem Lamm, die Apostel sind vor dem Leib Christi auf die Knie gegangen.
Die großen Propheten haben die Gaben Gottes bildhaft direkt in den Mund empfangen
(z.B. die Schriftrolle oder die glühende Kohle, vgl. Ez. 2; 3; Ps. 81, 11; Jes.
6, 6), eben wie es die kleinen Kinder gegenüber ihren Ernährern tun, und wie es
Jesus es verlangt, dass man das Reich Gottes in der Haltung der Kinder
empfangen soll (vgl. Lk. 18, 17). Wie groß ist der Kontrast zwischen der heute
weitverbreiteten Form der Handkommunion mit ihren minimalsten Zeichen der Anbetung
auf der einen Seite und den herrlichen Beispielen aus der Heiligen Schrift und
den Beispielen der Katholiken aus den vergangenen zweitausend Jahren, und auch
den erbauenden Beispielen unserer eigenen Vorfahren, Eltern, Großeltern auf der
anderen Seite!
Unser Heiliger Vater Papst
Benedikt XVI. hat uns gerade gegen diese aufgezeigte Wunde ein Heilmittel
gegeben durch sein Lehramt und durch sein Beispiel. Seit dem Fronleichnamsfest 2008
teilt er die heilige Kommunion ausschließlich in der Art aus, dass die
Gläubigen sie kniend und in den Mund empfangen und das bittet der Papst zu
beachten bei seinen Messen überall, wo er hinkommt. Er ist der Stellvertreter
Christi auf Erden und gibt uns allen eine klare praktische Lehre. Ein echter
Katholik, und noch mehr ein katholischer Bischof, kann diese Geste des Papstes
nicht ignorieren.
Der heilige Märtyrer und Kardinal
John Fisher hatte in der Zeit der protestantischen Reform diese treffenden Worte
geschrieben: „Wenn jemand mit Aufmerksamkeit die Perioden der Blüte der Kirche
und die Zeiten des Verfalls sowie die verschiedenen Reformen, wie sie öfters in
der Kirche aufeinander folgten, mit Aufmerksamkeit näher betrachtet, wird er
feststellen: der Grund des Verfalls in der Kirche liegt fast immer in der
Vernachlässigung und im Missbrauch dieses heiligsten Sakramentes des Altares;
auf der entgegengesetzten Seite aber wird er gewahr: den Zeiten echter Reformen
und der Blüte des kirchlichen Lebens ging immer eine zarten Andacht zu diesem
Sakrament und ein eifriger Empfang dieses Sakramentes zur Seite“ (F. Holböck,
Das Allerheiligste und die Heiligen, Stein am Rhein 1986, S. 195).
Einer der größten eucharistischen
Heiligen, der heilige Peter Julian Eymard, sagte einmal: „Warum tun die
Menschen unserem eucharistischen Herrn Dinge an, die sie selber zutiefst beleidigen
würden? Warum sind sie weniger empfindlich, wenn es um die Ehre des eucharistischen
Herrn geht, als wenn es um deren eigene Ehre geht? Die großen Sünden gegen den
Glauben kommen her vom Mangel der Ehrfurcht vor Jesus in der Eucharistie. In
den Zeitaltern, die vom Glauben geprägt waren, dachten die Katholiken, dass sie
nie genug tun könnten, um die Erhabenheit des eucharistischen Gottesdienstes zu
erhöhen: davon zeugen die herrlichen Kirchen, die heiligen Gefäße und Gewänder,
die Ehrfurchtshaltungen. Dies alles war ein Werk des Glaubens. Die Ehre, die
man Jesus in der Eucharistie entgegenbringt, ist das Maß, an dem der Glaube
gemessen wird und der Ausdruck der Tugend. Lasst uns deshalb größtmögliche
Ehrbezeigungen Jesus in der Eucharistie entgegenbringen. Er ist dessen würdig.
Er hat ein Recht darauf!“ (vgl. The real presence, New York 1938, 144).
Was für ein Glaubenszeugnis wäre
es, wenn bei den heiligen Messen auf dem ganzen Erdenrund immer mehr
unverkennbar deutliche Zeichen der Anbetung, der Stille, der Heiligkeit des
Gesanges wären, wenn Priester und Volk gemeinsam auf Christus blicken würden,
innerlich und auch äußerlich! Wenn die Gläubigen den Leib Christi
selbstverständlich im Stand der heiligmachenden Gnade, gebeichtet, im
anbetenden Knien und in der Demut eines Kindes direkt in den Mund empfangen
würden! Das wären lautlose aber mächtige Zeichen einer echten Erneuerung der
Kirche! Und wenn dann ein gottsuchender Mensch so einem ehrfürchtigen
Gottesdienst beiwohnen würde, dann würde er - die Worte des heiligen Paulus
gebrauchend - „auf sein Angesicht fallen, Gott anbeten und sagen: wahrlich
unter euch ist Gott!“ (1 Kor. 14, 24-25). Das wären echte Auswirkungen von
Pfingsten, welches die heiligen Päpste unserer Zeit angefangen vom heiligen
Pius X. bis zum seligen Papst Johannes Paul II. und das Zweite Vatikanische
Konzil ersehnt hatten. Wahre Katholiken sind wahre Marienkinder, sind Liebhaber
und Anbeter des eucharistischen Herrn. Jeder einzelne von uns, auch wenn er
noch so unscheinbar ist, der sich bemüht die Gottesmutter Maria gläubig und
innig zu verehren und den eucharistischen Heiland mit tiefster Ehrfurcht zu
verehren und zu empfangen, ist ein pfingstlicher Mensch und trägt sehr mächtig
zur wahren Erneuerung der Kirche bei.
Komm Heiliger Geist und durch die
Fürsprache Mariens, erfülle immer mehr die Herzen der Bischöfe, der Priester,
die Herzen aller Gläubigen und erneuere das Angesicht Deiner Kirche.
(Red. v. P. Bernhard Speringer ORC)
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