Es war Christus, der die Kirche gegründet
hat – und nicht, wie moderne Exegeten behaupten, „die Urgemeinde“. Die
Kirche ist nicht einfach ein Produkt aus dem Wunsch der Gläubigen, damit
die „Sache Jesu“ weitergehe. So sagt der Katechismus der katholischen
Kirche (KKK) unter Nummer 765:
Der Herr Jesus gab der Kirche eine Struktur, die bis zur Vollendung des
Reiches bleiben wird. An erster Stelle steht die Wahl der Zwölf mit
Petrus als ihrem Haupt [Vgl. Mk 3,14-15]. Sie repräsentieren die zwölf
Stämme Israels [Vgl. Mt 19,28;Lk 22,30] und sind somit die Grundsteine
des neuen Jerusalem [Vgl. Offb 21,12-14]. Die Zwölf [Vgl. Mk 6,7] und
die weiteren Jünger [Vgl. Lk 10,1-2] haben an der Sendung Christi, an
seiner Gewalt, aber auch an seinem Schicksal teil [Vgl. Mt 10,25; Joh
15,20]. Durch alle diese Akte gründet Christus die Kirche und baut sie
auf.
Deshalb kann man sagen: ohne Christus gäbe es keine Kirche. Aber genau
so: Ohne Kirche haben wir keinen Zugang zu Christus. Tragische ist, dass
genau diese Mentalität, nämlich zu glauben, wir brauchen die Kirche
nicht, bei den Gläubigen um sich gegriffen hat und viele meinen, der
Glaube an Gott oder an „irgendwas wird’s schon geben“ genügt und ich
brauche oder will die Kirche nicht. Gott ja, Kirche nein – das ist so
wie wen man sagen würde: Mozart ja – seine Musik nein. So hat es
Altbischof Stecher von Innsbruck einmal prägnant formuliert. Warum ist
das heute so? Ich denke, weil viele, einschließlich Priester und
Gottgeweihte, nicht wissen, was die Kirche eigentlich und wirklich ist.
Der KKK stellt es unter Nr. 770 und 771 ganz klar:
Die Kirche steht in der Geschichte, gleichzeitig aber auch über ihr. Nur
„mit den Augen des Glaubens“ (Catech. R. 1,10, 20) vermag man in ihrer
sichtbaren Wirklichkeit auch eine geistige Wirklichkeit wahrzunehmen,
die Trägerin göttlichen Lebens ist.
Der einzige Mittler Christus hat seine heilige Kirche, die Gemeinschaft
des Glaubens, der Hoffnung und der Liebe, hier auf Erden als sichtbares
Gefüge verfasst und erhält sie als solches unablässig.
Die „Eigentümlichkeit [der Kirche] ist es, zugleich menschlich und
göttlich zu sein, sichtbar mit Unsichtbarem ausgestattet, glühend im
Handeln und frei für die Betrachtung, in der Welt gegenwärtig und doch
unterwegs; und zwar so, dass in ihr das, was menschlich ist, auf das
Göttliche hingeordnet und ihm untergeordnet wird, was sichtbar ist, auf
das Unsichtbare, was zur Tätigkeit gehört, auf die Betrachtung, was
gegenwärtig ist, auf die künftige Stadt, die wir suchen“ (SC 2).
Der hl. Bernhard von Clairvaux schreibt über die Kirche:
„Welche Niedrigkeit! Welche Erhabenheit! Ein Gezelt Kedars und ein
Heiligtum Gottes, eine irdische Wohnstätte und ein himmlischer Palast,
Lehmhütte und Königsburg, Leib des Todes und Tempel des Lichtes, der
Abscheu der Stolzen und die Braut des Herrn ! Schwarz ist sie und doch
schön, ihr Töchter Jerusalems! Ob die Mühsal und der Schmerz der langen
Verbannung sie auch entstellen, so schmückt sie dennoch himmlische
Schönheit“ (Cant. 27,14)
“Christus hat die Kirche geliebt.“ (Eph 5,25) Dieser Satz hat die hl.
Katharina von Siena so erstaunt und auch erfreut, dass sie folgende
Betrachtung darüber schrieb:
»O unbeschreibliche Liebe, obwohl du in deinem Licht alle Frevel sahst,
die die Kirche gegen deine grenzenlose Güte verüben würde, tatest du
beinahe so, als sähest du nicht, sondern ließest dein Auge auf der
Schönheit deines Geschöpfes ruhen, in das du dich, wie närrisch und
trunken vor Liebe, verliebtest; und aus Liebe brachtest du es aus dir
hervor und schenktest ihm ein Wesen nach deinem Bild und Gleichnis.« (Le
Orazioni, Rom 1978, IV (18. Februar 1379), V. 95-108, S. 44-46.)
Christus hat die Kirche geliebt und sich für sie hingegeben, damit sie
»ohne Makel« sei, und die Kirche wäre ohne Makel, wenn sie uns nicht
hätte! Sie hätte eine Falte weniger, wenn ich eine Sünde weniger
begangen hätte.
Als Martin Luther dem Erasmus von Rotterdam vorwarf, dass er trotz der
»Korruption« der katholischen Kirche in ihr verblieb, antwortete ihm
dieser:
„Ich ertrage diese Kirche in der Erwartung, dass sie sich bessert, denn
auch sie ist gezwungen, mich zu ertragen in der Erwartung, dass ich mich
bessere.“ (Erasmus von Rotterdam, Hyperaspistae Diatribes, I, i (Opera
omnia, Bd. 10, Leiden 1706, Sp. 1258)
Wir alle müssen Christus um Verzeihung bitten für die vielen
unbedachten Urteile und die vielen Beleidigungen, die wir seiner Braut -
und folglich ihm selbst - zugefügt haben. Versucht wir einmal, einem
wirklich verliebten Mann zu sagen, seine Braut sei hässlich oder ein
Taugenichts, und wir werden sehen, dass man ihn kaum schlimmer
beleidigen könnte. In diesem Sinne sagt der KKK (769):
„Die Kirche . . . wird erst in der himmlischen Herrlichkeit vollendet
werden“ (LG 48), bei der Wiederkunft Christi in Herrlichkeit. Bis dahin
„schreitet die Kirche auf ihrer Pilgerschaft dahin zwischen Verfolgungen
der Welt und Tröstungen Gottes“ (hl. Augustinus, civ. 18, 51)
Antoine de Saint-Exupery schreibt in einem dunklen Moment in der
Geschichte Frankreichs während des 2. Weltkrieges über sein Heimatland:
„Da ich einer von ihnen bin, werde ich die Meinen nicht verleugnen, was
immer sie auch tun mögen. Ich werde mich vor Fremden nicht gegen sie
äußern. Wenn es möglich ist, sie zu verteidigen, werde ich es tun. Wenn
sie mich mit Schande bedecken, werde ich diese Schande in meinem Herzen
verbergen und schweigen. Was auch immer ich dann über sie denken mag,
nie werde ich als Belastungszeuge dienen. Ein Ehemann geht nicht selbst
von Haus zu Haus, um die Nachbarn zu informieren, dass seine Frau eine
Dirne ist: Auf solche Weise würde er seine Ehre nicht retten. Da die
Frau zu seinem Haus gehört, kann er keinen guten Eindruck machen, indem
er sich gegen sie stellt. Er wird vielmehr erst dann, wenn er wieder zu
Hause ist, seinem Zorn Luft machen.« (Pilote de guerre [Flug nach
Arras], Kap. 24. 72)
Und der päpstliche Hausprediger R. Cantalamessa sagte in einem Vortrag vor dem Papst:
„Erst wenn du zuerst einmal mit der Kirche geweint und dich unter ihren
Füßen gedemütigt hast, dann kann Gott dir wie schon anderen in der
Vergangenheit befehlen, die Stimme gegen die Plagen der Kirche zu
erheben. Jedoch nicht vorher.“
Da erhebt sich die Frage: Was ist die Kirche für mich? Fühle ich mich
als Glied der Kirche und bin ich mir bewusst, dass meine Talente durch
die Taufe der ganzen Kirche zu Gute kommen, dass aber auch meine Sünden
die Kirche verwunden? Und: Ist die Kirche wirklich für mich Mutter?
Die Aussage des hl. Cyprian ist bekannt:
»Man kann nicht Gott zum Vater haben, wenn man nicht die Kirche zur Mutter hat.« (Über die Einheit der Kirche, 6)
Schließen wir uns dem glühenden Gebet an, mit dem die hl. Katharina
alle, die die Kirche lieben, einlädt, eine Stützmauer des Gebetes rings
um die Mauer der Kirche zu bilden:
„O mildeste Liebe, du sahst in dir die Not der heiligen Kirche und die
Abhilfe, die sie braucht, und du hast sie ihr gegeben, nämlich das Gebet
deiner Diener, von denen du willst, dass sie zu einer Mauer werden,
welche die Mauer der heiligen Kirche stützt, und denen die Gnade deines
Heiligen Geistes den brennenden Wunsch nach einer Erneuerung der Kirche
einflößt“ (Le Orazioni, Rom 1978, VII (20. Februar 1379), V. 30-35)
In Zusammenhang mit ihrem täglichen Gang nach Sankt Peter hatte sie an
ihren Beichtvater geschrieben: »Mein Leben siecht tropfenweise dahin für
diese geliebte Braut.« Sie sah ihr Leben als eine Form des Martyriums
für die Kirche. „Lasst uns den Herrn, unseren Gott lieben; lasst uns
seine Kirche lieben… Wir wollen Ihn lieben als unseren Vater und sie als
unsere Mutter.“ (Hl. Augustinus). „Wo die Kirche, da ist auch der Geist
Gottes; und wo der Geist Gottes, dort ist die Kirche und alle Gnade“
(hl. Irenäus, hær. 3, 24, 1).
«Ex maculatis immaculata – aus Makelhaftem ist sie makellos»: ein
Ausdruck, mit dem die Kirchenväter die Kirche beschrieben. Aus Sündern
gebildet ist sie dennoch heilig. «Christus hat die Kirche geliebt und
sich für sie hingegeben», schreibt der heilige Paulus in seinem Brief an
die Epheser (5,25). Christus hat die Kirche gewissermaßen «gesund
geliebt» (P. Raniero Cantalamessa), er hat sie geheilt durch seine Liebe
und deshalb ist sie heilig, ja unzerstörbar heilig, weil seine Liebe
unzerstörbar ist.
Wenn man begreifen will, warum die Kirche heilig ist, dann geht das nur
durch die Liebe. Nur die Liebe kann begreifen, warum trotz aller Fehler
und mit allen Fehlern diese Kirche heilig ist. Weil er sie liebt, weil
er sie mit den Augen der Liebe sieht, und deshalb sieht er an ihr durch
alles Unvollkommene hindurch auf ihre Schönheit, sie ist ja seine
Kirche. Sie ist aber auch meine Kirche und als solche meine Mutter. Sind
wir uns dessen immer bewusst? Lieben wir die Kirche wie eine Mutter?
Möge Maria, Urbild und Mutter der Kirche, uns helfen, die Kirche immer
mehr als «Braut Christi» (Eph 5,31), als «Leib Christi» (ebd.) zu
erkennen und zu lieben.
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