"...letzter Rettungsanker für die Welt"
P. Bernhard Speringer ORC
Beitrag für das St. Josephsblatt April 2012
Als der sel. Papst Johannes
Paul II 1997 das Heiligtum der Barmherzigkeit in Lagiewniki bei Krakau besuchte
und einweihte, hat er das mit folgenden Worten getan:
„Der Mensch braucht nichts mehr als die Barmherzigkeit Gottes, also
jener Liebe, die das Gute will, die den Menschen trotz seiner Schwachheit zu
Gott erhebt. An diesem Ort werden wir uns dieser Notwendigkeit ganz besonders
bewusst. Von hier ist die Botschaft der Barmherzigkeit Gottes ausgegangen, die
der Herr selbst der Menschheit durch Sr. Faustina mitteilen wollte. Es ist eine
klare und für alle verständliche Botschaft. Jeder, der hierher kommt oder
einfach das Bild des barmherzigen Jesus betrachtet spürt in sich das, was der
Herr zu Sr. Faustina gesagt hat: ‚Fürchte nichts. Ich bin immer bei Dir‘. (TB
q. II). Und wir sind eingeladen zu antworten: ‚Jesus, ich vertraue auf Dich.‘“
Und der Papst fährt fort: „Niemals und in keinem Augenblick der Geschichte der Menschheit darf die
Kirche das Gebet um die Barmherzigkeit Gottes vergessen, gerade heute
angesichts der vielen Gefahren, die die Menschheit bedrohen. Je mehr die
Menschen die Bedeutung der Barmherzigkeit Gottes vergessen, um so mehr
entfernen sie sich von Gott.“
Wie es im Tagebuch der hl. Schwester Faustina
festgehalten ist, bezeichnete Jesus die Zuflucht zu seiner Barmherzigkeit
wiederholt als „letzten Rettungsanker für
die Menschheit“.
Ohne Scheu setzt der selige Papst die
Barmherzigkeit Gottes als Mittel zur Lösung weltpolitischer Probleme ein, eine
Lösung, die ihre Wurzeln in einer mystischen Frömmigkeit hat. Ein solcher
Schritt erfordert ein kindliches Vertrauen in die Worte Jesu, die er durch eine
einfache Ordensschwester an die ganze Welt gerichtet hat: "ICH ERSEHNE,
DASS DIE GANZE WELT MEINE BARMHERZIGKEIT ERKENNT" (Tagebuch, 687).
Es darf dabei als Fügung betrachtet werden,
dass Johannes Paul II. vor seiner Wahl zum Papst den Fall der übernatürlichen
Erlebnisse von Schwester Faustina geprüft und nach jahrzehntelanger intensiver
Beschäftigung mit der Materie zur kirchlichen Anerkennung geführt hat. So
erklärte er bei seinem Amtsantritt, sein Pontifikat solle ein großer Lobpreis
auf die Barmherzigkeit Gottes werden. Dieses Programm unterstrich er durch die
Enzyklika „Dives in misericordia Deus“ - „Reich ist Gott an Barmherzigkeit“.
Welche Freude war es, als der Papst seine Entscheidung, dass der Sonntag nach
Ostern als Sonntag der Barmherzigkeit Gottes gefeiert werden soll, im Rahmen
der Heiligsprechung von Sr. Faustina bekanntgab.
Was hat den Papst dazu bewegt? Ich denke, der
Papst möchte die Kirche und die Menschen zu einem richtigen Gottesbild führen.
Jeder einzelne muss sich immer wieder die Frage stellen, welches Bild wir von
Gott haben.
- Ist Gott für uns der „Mann im Himmel“, der für uns Menschen strenge Gebote erlassen hat und nur darauf wartet uns zu bestrafen, wenn wir sündigen? Ist Gott derjenige, der meine Freiheit einschränkt; mir nicht erlaubt, so zu leben, wie ich es will?
- Oder ist Gott für mich der Vater, der mich liebt? Der Vater, dem ich wichtig bin, der mich glücklich machen will.
- Ist Gott für mich ein barmherziger und gütiger Gott - oder der strafende Rächer?
Schon das Wort
Barmherzigkeit sagt viel über das Wesen Gottes aus – wer Gott ist. In diesem Wort stecken zwei andere Wörter, nämlich
„Erbarmen“ und „Herz“: Barm (Erbarmen) – herzigkeit (Herz): Gott hat Erbarmen
mit uns, er hat ein Herz für uns.
Noch schöner kommt das Wesen
Gottes im lateinischen Begriff für Barmherzigkeit zum Ausdruck: „misericordia“.
Miseri (Not, Misere) und -cordia (cor, Herz). Gott hat ein Herz
für unsere „Misere“, für unsere Not.
Gott ist weder Urheber des
Bösen noch ist das Böse, seien es jetzt Kriege, Katastrophen oder persönliche
Schicksalsschläge Strafen Gottes. Im Gegenteil. Gott hat ein Herz für uns und
unsere Nöte und es schmerzt ihn, wenn wir zu leiden haben. Aber wir Menschen
haben eben die Freiheit. Wir können uns für das Gute entscheiden, was Gott
freut, - aber wir haben auch die Freiheit uns für das Böse zu entscheiden. Das
schmerzt Gott, aber er respektiert unsere Freiheit und lässt es zu.
Und Gott kann selbst aus dem
schlimmsten Übel noch Gutes wirken. Das größte Unrecht, die größte Sünde,
welche in der Geschichte der Menschheit je geschehen ist, war, den Sohn Gottes
ans Kreuz zu schlagen. Aber gerade dadurch hat Gott uns erlöst. Das ist die
„glückliche Schuld“, von der das Exultet in der Osternacht kündete: „O glückliche
Schuld, welch großen Erlöser hast du gefunden.“
Die Barmherzigkeit Gottes fordert uns immer
wieder heraus, barmherzig zu sein mit unserem Nächsten, mit den Schwächen und
Fehlern des Mitmenschen. Barmherzigkeit heißt ja nicht: das Unrecht gutheißen,
die Sünde ignorieren oder unter den Teppich kehren. Barmherzigkeit bedeutet
immer ein „trotzdem“. So wie Gott uns trotzdem liebt, trotz unserer Sünden und
Schwächen, so sollen auch wir den Nächsten trotzdem lieben.
Und bedenken wir dabei, dass wir selbst es
sind, die immer wieder auf die Barmherzigkeit Gottes angewiesen sind. Je mehr
wir uns unserer eigenen Schwachheit bewusst sind, je mehr wir auch erfahren,
wie Gott mit uns barmherzig ist, um so leichter wird es uns fallen, unserem
Mitmenschen – auch dem, der sich gegen uns verfehlt hat – Barmherzigkeit zu
zeigen.
Denn wir alle brauchen letztlich die
Barmherzigkeit Gottes. Wir alle dürfen und sollen den vom Himmel angebotenen
„Rettungsanker für die Menschheit“ zu ergreifen. Der Rettungsanker ist nicht
das Bild selbst. Das wäre eine verhängnisvolle, ja sogar magische
Vereinfachung. Der Rettungsanker ist allein die Barmherzigkeit Gottes. Und nur
durch ein echtes Vertrauen ebnen wir der barmherzigen Liebe den Weg.
In diesem Sinn ist auch die von Jesus selbst
gewünschte Bildunterschrift zu verstehen: „Jesus,
ich vertraue auf Dich!“ So ist das Bild mit dem gütigen Blick Jesu und
seinem geöffneten Herzen zunächst eine Hilfe, unsere Aufmerksamkeit auf die
Barmherzigkeit Gottes zu richten und unser Vertrauen auf sie zu setzen.
Darüber hinaus will Gott, dass wir Menschen
eindeutig erkennen, woher unsere Rettung kommt. Nur so können wir ihm für seine
barmherzige Liebe entsprechend danken. Deshalb gibt er uns die äußeren Zeichen
und verbindet deren Annahme mit göttlichen Verheißungen. Wer sich darauf
einlässt und die versprochenen Gnaden empfängt, wird dadurch die Macht seiner
Barmherzigkeit entdecken und tiefer in das Geheimnis seiner Liebe eindringen.
"Aus Meiner
Barmherzigkeit schöpft man Gnaden mit nur einem Gefäß - und das ist das
Vertrauen. Je mehr eine Seele vertraut, um so mehr bekommt sie. Seelen, die
unbegrenzt vertrauen, sind Mir eine große Freude, denn in solche Seelen gieße
Ich alle Meine Gnadenschätze. Es freut Mich, dass sie viel verlangen, denn es ist
Mein Wunsch, viel zu geben, und zwar sehr viel. Es betrübt Mich dagegen, wenn
die Seelen wenig verlangen und ihr Herz verengen" (Tagebuch, 1578).
Gebet von Johannes Paul II. in Krakau
(Einweihung des
Heiligtums der Barmherzigkeit)
Gott, barmherziger
Vater,
Du hast Deine Liebe
in Deinem Sohn Jesus Christus offenbart
und über uns im Heiligen Geist,
dem Tröster, ausgegossen,
Dir vertrauen wir heute die Geschicke
der Welt und jedes Menschen an.
Neige Dich zu uns Sündern herab,
heile unsere Schwäche,
besiege alles Böse,
hilf, dass alle Menschen
der Erde Dein Erbarmen erfahren und in Dir,
dem dreieinigen Gott,
die Quelle der Hoffnung finden.
Ewiger Vater,
um des schmerzvollen Leidens
und der Auferstehung Deines Sohnes willen,
habe Erbarmen mit uns
und mit der ganzen Welt.
Du hast Deine Liebe
in Deinem Sohn Jesus Christus offenbart
und über uns im Heiligen Geist,
dem Tröster, ausgegossen,
Dir vertrauen wir heute die Geschicke
der Welt und jedes Menschen an.
Neige Dich zu uns Sündern herab,
heile unsere Schwäche,
besiege alles Böse,
hilf, dass alle Menschen
der Erde Dein Erbarmen erfahren und in Dir,
dem dreieinigen Gott,
die Quelle der Hoffnung finden.
Ewiger Vater,
um des schmerzvollen Leidens
und der Auferstehung Deines Sohnes willen,
habe Erbarmen mit uns
und mit der ganzen Welt.
Amen.
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