Die Fastenzeit: Ein Weg, der vom Gebet geprägt ist
In seiner Botschaft zur Fastenzeit
2012 sagt Papst Benedikt XVI.:
»In der Tat ist die Fastenzeit
eine günstige Zeit, um mit Hilfe von Gottes Wort und den Sakramenten unseren
persönlichen wie gemeinschaftlichen Glaubensweg zu erneuern. Es ist ein Weg,
der vom Gebet und vom miteinander Teilen geprägt ist, von Stille und Fasten, in
der Erwartung, die österliche Freude zu erleben.« (Nr.1)
Der Papst
stellt seine Überlegungen unter das Thema: „Lasst
uns aufeinander achten und uns zur Liebe und zu guten Taten anspornen.“
(Hebr 10,24) Er fährt fort und sagt:
Mit diesem
vom Papst vorgeschlagenen Programm kann die Fastenzeit zu einer echten geistlichen
Erneuerung werden. Und dennoch können Glaube, Hoffnung, Liebe und alle anderen
Tugenden nicht wachsen, kann es zu keiner persönlichen Beziehung zu Gott
kommen, ohne die Bereitschaft, uns für Gott Zeit zu nehmen, besonders für das
Gebet: die ganz persönliche Begegnung mit Ihm, das ganz persönliche Gespräch
mit Ihn.
Als
Priester werde ich oft gefragt, was wohl das Wichtigste für die Kirche heute
sei. Trotz der Negativschlagzeilen über Priester haben viele Gläubige doch noch
Vertrauen zum eigenen Seelenhirten und erwarten Antworten, Orientierung und
Führung. Meine Antwort auf diese Frage ist stets: „Das Wichtigste für die Kirche von heute sind Gläubige, die beten.“
Wäre das
nicht ein äußerst geeigneter Fastenvorsatz: sich täglich eine bestimmte Zeit
für Gott im Gebet zu nehmen.
Das Beispiel Jesu
Bischof Alvaro del Portillo,
Nachfolger des hl. Josemaria Escrivá, hat einmal geschrieben:
“Die
sogenannten ‚aktiven Christen‘ sind nicht am wichtigsten für die Kirche. Nicht
sie sind es, die der Kirche am besten dienen. Es sind vielmehr die
Kontemplativen, die der Kirche am besten dienen, also jene, die den festen,
großherzigen und leidenschaftlichen Wunsch haben, die Kirche durch Ihr Gebet
und ihr Opfer umzuformen und zu heiligen – mit Christus und in Christus. Es mag
widersprüchlich erscheinen, aber in der katholischen Kirche ist der Betende die
wirklich aktive Person.“
In der Heiligen Schrift wird uns
Jesus immer wieder als “Kontemplativer“, als Betender vorgestellt. Zahlreiche
Abschnitte im Evangelium über das Gebet Jesu möchten nichts anderes, als uns
zum Gebet nach dem Beispiel Jesu hinführen:
Zusammen mit
dem ganzen Volk ließ auch Jesus sich taufen. Und während er betete,
öffnete sich der Himmel … (Lk 3,21).
Jesus betete einmal an einem Ort; und als er
das Gebet beendet hatte, sagte einer seiner Jünger zu ihm: Herr, lehre uns
beten, wie schon Johannes seine Jünger beten gelehrt hat. Da sagte er zu ihnen:
Wenn ihr betet, so sprecht: Vater, dein Name werde geheiligt. Dein Reich komme.
Gib uns täglich das Brot, das wir brauchen. (Lk 11,1-3)
In diesen
Tagen ging er auf einen Berg, um zu
beten. Und er verbrachte die ganze Nacht im Gebet zu Gott. Als es Tag
wurde, rief er seine Jünger zu sich und wählte aus ihnen zwölf aus; sie nannte
er auch Apostel. (Lk 6,12-13)
Etwa acht
Tage nach diesen Reden nahm Jesus Petrus, Johannes und Jakobus beiseite und
stieg mit ihnen auf einen Berg, um zu beten. Und während er betete, veränderte sich das Aussehen seines
Gesichtes, und sein Gewand wurde leuchtend weiß. (Lk 9, 28-29)
Jesus war ein Mann des Gebetes.
Vielleicht sind wir in Gefahr zu denken, Jesus habe gebetet, weil er wahrer
Gott ist. Aber Jesus war auch wahrer Mensch. „Er entäußerte sich und wurde wie ein Sklave und den Menschen gleich.
Sein Leben war das eines Menschen.“ (Phil 2,7)
Das Gebet Jesu hat den Himmel
geöffnet (vgl. Lk3,21), hat den Hungernden Nahrung gebracht (vgl. Mt 14,16),
gab ihm selbst Klarheit in seinen Entscheidungen (vgl. Lk 6,12) – er hat durch
sein Gebet Erde und Himmel verbunden. Jedoch nicht nur das Gebet Jesu hat diese
Bestimmung. Auch wir können und sollen im Gebet Himmel und Erde verbinden.
Durch das Gebet treten wir in eine
tiefe Gemeinschaft mit Gott, wir dürfen uns wie Kinder in Seine Vater-Arme
werfen. Im Gebet rufen wir wie und mit Jesus: „Abba Vater“ (Röm 8,15, Gal 4,6). Als Kinder Gottes dürfen wir im
Gebet zu jeder Zeit Zuflucht zu unserem Vater im Himmel nehmen, ihm unsere
Liebe und Hingabe zeigen. Es geht weniger darum zu empfangen oder etwas zu tun,
sondern mehr darum, in Gott zu sein, Ihm unsere Liebe zu schenken – durch unser
Wort aber vor allem durch unser ganzes Sein.
Durch das Gebet gewinnt unser
alltägliches Leben an Bedeutung. Wir lernen Gott besser kennen und Ihn tiefer
lieben. Das Gebet ist wie eine Brille, durch die man im alltäglichen Leben den
Willen Gottes besser erkennen und die entsprechenden Entscheidungen für unser
Leben treffen können. Durch das Gebet muss die Dunkelheit in unserem Leben weichen
und der Weg der Wahrheit wird erleuchtet.
Mir fällt das Beten manchmal soooo schwer…
Kürzlich hat mir jemand geschrieben:
„Warum ist das Beten oft so mühsam? Ich möchte
Jesus ganz nah sein. Es gibt nichts in meinem Herzen, das Jesus ablehnen und
stattdessen der Welt folgen wollte. Ich liebe Jesus. Daran gibt es keinen
Zweifel. Er ist mein Heiland und Erlöser. Ich werde Ihn nie gehen lassen.
Soviel ist sicher. Aber warum überträgt sich das nicht in ein lebendiges,
reichhaltiges, buntes und erfüllendes Gebetsleben? Ich kämpfe gegen Entmutigung
an, gegen Sinnlosigkeit und gegen einen schwermütigen Geist. Und wenn man das
mit den Herausforderungen des Berufes, des Haushaltes, der Kindererziehung und
anderen Verpflichtungen verbindet, wird das eine echte Herausforderung und ein
tägliches Ringen um die Zeit und die Energie zum Gebet. Was mache ich falsch?“
Ich denke, diese Frage stellen sich
viele, die sich um ein gutes Gebetsleben bemühen. Und gerade die Fastenzeit ist
wie eine 40-tägige Schule des Gebetes. Die Fastenzeit ist wie ein 40-tägiger
Exerzitien-Kurs, wo wir wieder neu auftanken können und intensiver beten
lernen.
Das Beten ist oft wie eine mühsame
Bergwanderung und wir werden gelegentlich von Frust und Zweifel niedergedrückt,
statt dass wir gleichmäßig den Weg des Vertrauens und der Treue gehen. Aber nur
so wird eine Art „Geistliche Kondition“ oder „Geistliche Ausdauer“ gebildet.
Und Training ist oft hart, anstrengend, es ist ein Ringen gegen sich selbst und
die eigene Bequemlichkeit. Aber was nehmen Spitzensportler an Selbstüberwindung
und Opfer auf sich – um des Erfolges willen. Was sind wir bereit, auf uns zu
nehmen – um Jesu willen?
Treue im Gebet
Dieses Ringen und Kämpfen ist
natürlich auch eine Gabe, denn das Wichtigste, das wir zu lernen haben, ist
schlicht und einfach, treu zu sein. So zu denken, wie es in der „Nike-Werbung“
heißt: “Just do it - Tu’s einfach.“ So, wie ein Muskel durch wiederholte
Übungen gestärkt wird, so braucht unser Herz „Training“. Und da gibt es diese
schönen Momente, wenn das Gebet froh ist und inspiriert. Und dann gibt es
Momente, die sind als ob man sich schwerfällig wie durch dicken Matsch wühlt.
Es ist ein Kämpfen und ein Ringen unserer Treue.
Wir brauchen Rituale in unserem Gebetsalltag
Kürzlich habe ich in einem Buch
gelesen: “Gehe niemals mit jemandem auf
Reisen, der dich immer interessant finden will. Auf einer langen Reise wird es
zwangsläufig langweilige Momente geben.”
Der Autor beschreibt in einer
beruhigenden Art und Weise den Sinn von Ritualen und guten Gewohnheiten in
unserem geistlichen Leben. Nicht alles ist immer aufregend, nicht jedes Gebet
oder jede Andacht ist erfüllt von Emotionen und Romantik, was aber keinesfalls
bedeutet, dass wir etwas falsch machen. So heißt es weiter in diesem Buch:
“Pflicht
und Hingabe ohne Herz werden sich letztendlich nicht selbst erhalten. Dennoch
ist es wichtig zu erkennen, und die Tatsache zu benennen, dass sich jede
Beziehung in Liebe, Familie, Kirche oder im Gebet nur dann über lange Zeit
halten kann, wenn sie in Ritual und Routine verwurzelt ist. Das Ritual
stützt das Herz, nicht umgekehrt.”
“Jeder,
der nur dann betet, wenn er tatsächlich sein Herz und seine Seele mit
einbringen kann, wird das Gebet nicht über lange Zeit aufrechterhalten können.
Aber die Gewohnheit des Gebetes, das Ritual, die einfache Treue zum Gebet (wenn
man auch treu zum Gebet erscheint, selbst wenn man keine Lust zum Beten hat und
ganz gleich, welche Laune man gerade hat), kann das Gebet ein Leben lang
aufrechterhalten und im Hin und Her des Herzens und des Kopfes regieren.”
Jesus weiß, welche armseligen Gaben
wir ihm an unseren besten Tagen zu überreichen vermögen. Jesus sagt uns nicht,
dass wir ihm bei jedem Gebet ein extravagantes Bankett bereiten müssen; der
Feind der Seele tut das. So kann er uns vom Gebet abhalten, wenn wir gestresst
sind, oder unmotiviert und desinteressiert.“Was soll das Gebet denn, wenn
Dein Herz nicht dabei ist…“ lügt er mich an. „Das ist doch
verlorene Liebesmühe.“
Deshalb müssen wir uns bemühen dem
Lügner zu widerstehen. Es ist niemals verlorene Liebesmühe zu beten, und Satan
weiß das. Und ob wir das “Amen” sprechen und uns während des Gebetes besser “fühlen“,
spielt überhaupt keine Rolle. Wir bauen unsere geistliche Kondition auf und
trainieren den Willen. Wir zeigen dem Herrn in unserer unbedeutenden Weise,
dass wir nicht nur dann zu ihm kommen und ihm unsere Liebe schenken möchten,
wenn wir uns gut fühlen, sondern dass wir ihm ernsthaft nachfolgen wollen.
Ob das Gebet nun ganz leicht aus
einem erfüllten Herzen hervorsprudelt, uns leicht von den Lippen geht, oder ob
es sich schwer und mühsam anfühlt – es ist immer gut. Am schwersten scheint zu
sein, einfach zum Gebet zu erscheinen und es zu tun. Es wiederholt sich,
braucht Zeit, Entschlossenheit, Willenskraft – und Demut. Aber Treue in
schweren Zeiten ist der Beweis der Liebe; Treue, wenn es leichter wäre, einfach
aufzugeben, ist ein Zeichen echter Hingabe.
Es bleibt also wirklich nur eines zu
tun - Beten. Wenn es schwer fällt, um so mehr beten. Wenn wir viel zu tun haben
– noch mehr beten. So wird unser Herz in der Liebe gestärkt und der Glaube
wächst, ob wir es unmittelbar merken oder nicht. Der Kampf des Gebetes soll uns
nicht frustrieren oder entmutigen, sondern uns stärken in der Liebe zu Gott und
zum Nächsten.
Gerade die 40 Tage der Fastenzeit
sollen für uns eine „Schule des Gebetes“ sein, so dass wir durch das Gebet in
diesen 40 Tagen unserem Herrn und Heiland näher kommen und die Liebe, Treue zu
Ihm und die vorbehaltslose Hingabe an Ihn wachsen kann.
Original: Leitartikel im "Schweizerisch Katholisches Sonntagsblatt" 04 / 2012.
weiters erschienen auf : kath.net
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