Von
P. Bernhard Speringer ORC
Leben und Tod
Im Advent sind wir gerufen uns sowohl durch Gebet, Busse und froher
Erwartung als auch in der Betrachtung des Weihnachtsgeheimnisses auf das Kommen
unseres Erlösers Jesus Christus vorzubereiten. Wenn wir die letzten Konsequenz Seiner
Menschwerdung in Armut und Not betrachten, ergeben sich interessante Aspekte,
die uns im Glauben wachsen lassen, unsere Liebe vertiefen und uns vor allem zu
einer großen Dankbarkeit gegenüber Gott führen.
Bereits einen Tag nach Weihnachten feiert die Kirche den
ersten Märtyrer, den hl. Diakon Stephanus.
Er war der erste in der 2000-jährigen Kirchengeschichte, der für seinen Glauben,
der für Christus sein Leben hingegeben hat. Und schon drei Tage nach dem
Hochfest der Geburt unseres Herrn und Erlösers feiern wir das Fest der „Unschuldigen Kinder“, der Opfer des
Kindermordes in Betlehem. Der hl. Augustinus und mit ihm eine Vielzahl von
Kirchenväter haben die kindlichen Märtyrer gerühmt und verehrt. Ihnen war es „vergönnt“, wie der hl. Augustinus sagt,
„nicht nur als Zeugen (Märtyrer) für
Jesus, sondern stellvertretend für ihn zu sterben.“ Sie mögen zwar nicht
die ersten gewesen sein, die bewusst und aus eigener freier Entscheidung ihr
Leben für Christus hingegeben haben – so wie eben der hl. Stephanus. Und
dennoch. Sie sind um Christi willen gestorben. Sie sind stellvertretend für ihn
gestorben, denn das eigentliche Ziel des Kindermordes in Betlehem war ja Jesus
selbst.
Allein diese zeitliche Aufeinanderfolge lässt uns bewusst
werden, wie nahe Leben und Tod, wie nahe Weihnachten und Ostern, Bethlehem und
Golgotha, Krippe und Kreuz beieinander liegen.
Menschwerdung und Erlösung
Die „Passio Domini“, das Leiden
unseres Herrn beschränkt sich nicht auf die drei österlichen Tage, auf das
Leiden unseres Herrn vom Ölberg bis zum Tod am Kreuz. Die Passion des Herrn
beginnt im weitesten Sinne bereits mit der Menschwerdung.
- Betrachten wir im Advent nicht das „Kommen des Herrn in seiner Niedrigkeit“?
- Betrachten wir nicht die unendliche Herablassung und Verdemütigung des Herrn, des Schöpfers, des Sohnes Gottes, der sich nicht scheut, Mensch zu werden?
- Ist nicht die Herbergsuche ein Kreuzweg für den Herrn, der leidet, weil er in sein Eigentum kommt, aber die Seinen ihn nicht aufnehmen?
- Ist Bethlehem nicht auch ein Ölberg, an dem der Herr und besonders auch Maria und Josef Todesangst litten, da sie keine Herberge für den Sohn Gottes, der ihnen anvertraut war, finden konnten?
- Ist der Stall von Bethlehem nicht auch ein Golgotha, wo der Herr sein Leben in einer Krippe beginnt um es 33 Jahre später an einem anderen Holz, am Holz des Kreuzes hinzugeben?
Die Passio Domini begann mit der
Menschwerdung und setzt sich fort über die Ablehnung des Messias in Bethlehem und
seine Geburt in einem kalten, schmutzigen Stall, über die Prophezeiung des
Simeon und die Flucht vor Herodes nach Ägypten bis hin zum letzten Kapitel
dieser Passio: den Tod am Kreuz.
Geburt und Tod des Erlösers, man
könnte sagen: „Krippe und Kreuz“, sind auf das engste miteinander verbunden!
Geboren am Holz der Krippe, die in der Regel bereits in der Form eines Kreuzes
gefertigt ist – stirbt der Herr an einem Anderen Holz, dem Holz des Kreuzes –
und das alles, auf Grund der Sünde, welche am Holz des Baumes der Erkenntnis im
Paradies geschah.
Es
gibt nicht nur eine Wissenschaft des Kreuzes (vgl. Edith Stein),
sondern
auch eine Wissenschaft der Krippe.
So heißt es in einem Gebet:
„Herr,
durch Deine Geburt hast Du Dich auch dem Tod
überliefert,
an Deiner Krippe hast Du das Holz des Kreuzes
erstmals gespürt und erlebt
und Dein erstes Kinderschluchzen ist emporgestiegen
vor das Angesicht des Vaters.
Damit hat Dein Erlöserleiden begonnen.“
Krippe und Kreuz
Auf einer Steinzeichnung von
Wilhelm Geyer ist vom Stall von Bethlehem nur noch ein Stück Gebälk übrig
geblieben. Und dieses Stück Gebälk steht nun über dem Kind und seiner Mutter
wie ein drohend aufgerichtetes Kreuz. Je länger man das Bild betrachtet, desto
mehr rücken das Kind und seine Mutter in den Hintergrund. Gewiss bilden die
beiden Personen die Mitte des Bildes. Aber immer stärker tritt das galgenhafte
Gebälk hervor und bestimmt die Aussage der Darstellung von der Geburt Christi, die der Künstler machen will.
Von der Künstlerin Beate
Heinen stammt ein Bild mit dem Titel „Krippe
und Kreuz“. Im Vordergrund sieht man eine Felsenhöhle mit dem neugeborenen
Jesuskind – nicht in einer Krippe, sondern in einer Art Trog, der wie ein Sarg
aussieht. Von der Krippe weg führt ein Weg durch einen blühenden Garten. Je
länger der Weg wird, umso kahler werden die Bäume, umso düsterer die Farben.
Am hinteren Bildrand ist ein Hügel mit drei Kreuzen zu
erkennen. Der Weg schlängelt sich nach oben, er ist steil. Dort wächst nichts
mehr. Dort ist es nicht einmal mehr grün, nur noch grau. Es ist kein Ort des
Lebens, sondern des Todes. Wir kennen den Namen des Berges: Golgotha.
Der
Weg führt von der Krippe zum Kreuz.
Jesus musste diesen Weg gehen. Es war sein Lebensweg.
Die Malerin stellt mit ihrem Bild eines ganz deutlich heraus: Kreuz und Krippe
gehören zusammen. Es ist nicht möglich, einen Teil des Lebens Jesu für sich zu
nehmen – denn alles hängt zusammen, alles ist ineinander verwoben. Daher auch
der Titel des Bildes von Beate Heinen: Kreuz und Krippe. Vielleicht mag der
eine oder andere denken: Jetzt ist Weihnachten, da soll der Blick doch auf das
freudige Ereignis der Geburt gerichtet sein. Selbstverständlich. Aber vielleicht
fehlt dann doch etwas?
Nicht erst die modernen Künstler
heben den Zusammenhang zwischen Krippe und Kreuz hervor. In einem Kreuzgang
eines Südtiroler Klosters befindet sich ein bekanntes Bild: Gott Vater sendet seinen Sohn zur Erde
nieder, um in Maria Mensch zu werden; Jesus aber, der als kleines Kind
dargestellt ist, trägt schon das Kreuz. Die Künstler machen uns in der Tat
aufmerksam auf etwas ganz Ungewohntes in der Weihnachtsgeschichte. Sie machen
uns aufmerksam auf die letzte Konsequenz, die mit der Menschwerdung Jesu
Christi verbunden ist: auf seinen Tod, auf sein Sterben am Kreuz von Golgotha.
Die letzte Konsequenz der Menschwerdung Gottes
Aber nicht nur die Künstler haben
diesen Zusammenhang gesehen. Auch die Heiligen haben diesen Zusammenhang
erfasst.
So heißt es im Exerzitienbüchlein
des heiligen Ignatius:
„Wir
sollen in und an der Weihnachtsgeschichte "schauen und erwägen, was Maria und Josef tun: wie sie eine Reise
machen, wie sie sich abmühen, damit der Herr in der größten Armut geboren
werden kann, um am Ende von so viel Mühen, von Hunger und Durst, von Hitze und
Kälte, von Schmähungen und Beschimpfungen am Kreuz zu sterben - und alles das
für mich.“
Auch die Evangelien weisen
darauf hin, dass das Kreuz über der Krippe alles andere als bloße Verzierung
ist. Herodes trachtet dem neugeborenen Jesuskind nach dem Leben. Er weiß nur
noch nicht, wo er es finden kann. Der Tod steht in der Tat da als drohende
Möglichkeit. Wir sind allerdings gewohnt, um den neugeborenen Jesus nur Glanz
und Herrlichkeit zu sehen. Die Künstler, die Heiligen, aber auch und erst recht
die Evangelien wissen es besser:
Geburt und
Tod Jesu Christi, Krippe und Kreuz gehören unlösbar zusammen. Gott wurde Mensch, um als Mensch für uns zu
sterben. Gott wurde in Bethlehem geboren, um sein Leben auf Golgotha hingeben
zu können aus Liebe zu den Menschen!
Krippe und Kreuz bilden also eine
Einheit. Und sowohl die Krippe als auch das Kreuz sind für uns Offenbarung der
Liebe Gottes. Gott hat uns so sehr geliebt, dass er es nicht scheute, für uns
in einer Krippe Mensch zu werden. Gott
hat den Menschen so sehr geliebt, dass er es nicht scheute, für ihn am Kreuz zu
sterben.
In einem Kreuzweg für die Adventszeit
heißt es bei der 1. Station:
„Nun knie dich hin, o Mensch, schließe deine Augen
und schau nach innen: Jesus wird
zum Tode verurteilt: Da liegt das neugeborene Kindlein, allen Gesetzen der
Natur unterworfen: ... Kälte, Hunger, Blöße, Armut warten Seiner. Schon die
erste Stunde Jesu im Stall von
Bethlehem ist Erlösungstat - Sühne, Rettung, Genugtuung.
Wir beten Dich an, o Herr Jesus, und preisen Dich, denn durch Dein heiliges Kreuz
schon von der ersten Stunde Deines Lebens an, Dein Leiden und Sterben hast Du die ganze Welt erlöst.“
Der Gründer der
Johannesgemeinschaft, P.
Marie-Dominique Philippe, hat einmal gesagt:
„Die Zeit des Advents ist ganz hingeordnet
auf Weihnachten, und Weihnachten ist hingeordnet auf das Kreuz. Jesus ist auf
die Welt gekommen, um uns zu retten. Maria ist Mutter geworden, damit wir von
dem Heil leben können, das Jesus uns schenken will.“
In einem
fiktiven Text wendet sich der Herr sterbend am Kreuz zur Seite und spricht zum
Menschen:
„Sieh, Mein Kind, Krippe und Kreuz sind eins,
nur verwandelt.
In der Krippe bekam ich das Kreuz als Pfund. Am Kreuz gab ich das Pfund zurück als Sieger.
In der Krippe bekam ich das Kreuz als Pfund. Am Kreuz gab ich das Pfund zurück als Sieger.
In der Krippe legte MICH MARIA aus dem
ewigen in das zeitliche Leben, aus den Armen des VATERS in die Arme der Welt.
Am Kreuz legt MICH MARIA aus dem zeitlichen in das ewige Leben, aus den Armen der Welt (den Kreuzbalken) in die Arme Meines VATERS zurück.
Am Kreuz legt MICH MARIA aus dem zeitlichen in das ewige Leben, aus den Armen der Welt (den Kreuzbalken) in die Arme Meines VATERS zurück.
Dort unter dem Kreuz hat MARIA euch alle
empfangen. Für Euch alle wurde ich als Mensch
geboren in der Krippe.
Für euch habe ich mein Blut vergossen am Kreuz, für euch hat MARIA ihr Herz durchbohren lassen!
Für euch habe ich mein Blut vergossen am Kreuz, für euch hat MARIA ihr Herz durchbohren lassen!
Interessant in diesem Zusammenhang sind auch einige
Weihnachtslieder, die ebenso die Einheit von Krippe und Kreuz bezeugen oder
anders formuliert, die den Sühnetod Christi am Kreuz in engen, ja
unzertrennlichen Zusammenhang mit dem Weihnachtsgeheimnis sehen. Wir alle
kennen das „O du fröhliche“. Oft ist es so, dass wir uns bekannt Kirchenlieder
irgendwie automatisch mitsingen und weil sie uns so geläufig sind, gar nicht
mehr so genau auf den Text achten.
In der 3. Strophe des „O du fröhliche“ heißt es:
„O
du fröhliche, O du selige, Gnadenbringende Weihnachtszeit
Christ ist erschienen, für uns zu sühnen
Freue, freue dich, o Christenheit“
Christ ist erschienen, für uns zu sühnen
Freue, freue dich, o Christenheit“
„Christ ist
erschienen – für uns zu sühnen.“ Mit anderen Worten: Christus wurde Mensch um
unsere Schuld zu sühnen. Er wurde in das Holz der Krippe geboren um am Holz des
Kreuzes unsere Schuld wieder gut zu machen, zu sühnen – aus Liebe zu uns und um
uns das ewige Leben zu erwirken.
Wir kennen alle das Weihnachtslied „Ihr Kinderlein
kommet“. Es klingt sehr nach Krippenidylle. Doch in der fünften Strophe heißt
es:
„O betet: Du liebes, du göttliches Kind, was leidest du alles
für unsere Sünd!
Ach hier in der Krippe
schon Armut und Not,
am Kreuze dort gar
noch den bitteren Tod.“
Auch hier ganz deutlich:
Kreuz und Krippe gehören zusammen. Sie sind Anfang und Ende des irdischen Lebensweges,
Anfang und Ende der Erlösungstat Jesu Christi.
Die letzte Konsequenz der
Menschwerdung Christi ist sein Leiden und Sterben am Kreuz.
Die Letzte Konsequenz von Betlehem ist Golgotha.
Die letzte Konsequenz der Liebe Gottes ist unsere
Erlösung.
¡
[Original:
Leitartikel im «Schweizerisch Katholischen Sonntagsblatt» Nr. 25/2011 (8.12.2011)
Leitartikel im «Schweizerisch Katholischen Sonntagsblatt» Nr. 25/2011 (8.12.2011)
und kath.net am 8.12.2011: http://www.kath.net/detail.php?id=34233]
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen