
Goldach
(kath.net/Schweizerisch-katholisches Sonntagsblatt) Der ehrwürdige
Diener Gottes Papst Pius XII am 1. November 1950 feierlich das Dogma von
der Aufnahme Mariens mit Leib und Seele in den Himmel verkündete. Die
dogmatische Definition schließt mit den Worten: „Die unbefleckte,
immerwährend jungfräuliche Gottesmutter Maria ist, nachdem sie ihren
irdischen Lebenslauf vollendet hatte, mit Leib und Seele in den Himmel
aufgenommen worden“ (Munificentissimus Deus, 42).
Während die übrigen Menschen, wenn Gott sie zu sich ruft, noch auf die
Verherrlichung ihres Leibes warten, ist Maria wie Christus, ihr Sohn,
schon in der himmlischen Herrlichkeit mit der Ganzheit ihres Seins, mit
Seele und Leib. Der hl. Paulus wirft Licht auf dieses Geheimnis, wenn er
im ersten Korintherbrief schreibt: „Wie in Adam alle sterben, so werden
in Christus alle lebendig gemacht werden.“ (1 Kor 15, 23). Was für alle
Menschen gilt, nämlich, dass sie in Christus „lebendig gemacht werden“,
das gilt in einzigartiger und vorzüglicher Weise von Maria: Sie ist
derart mit dem Geheimnis Christi verbunden, dass sie an der Auferstehung
ihres Sohnes bereits am Ende ihres irdischen Lebens mit ihrem ganzen
Sein Anteil hat. Aufgenommen in den Himmel mit Leib und Seele, lebt sie
bereits das, was wir für das Ende der Zeiten erwarten: „Wir erwarten die
Auferstehung der Toten und das Ewige Leben“.
Maria, die wahre Bundeslade
Die Offenbarung des Johannes deutet das Geheiminis der Aufnahme Mariens
in den Himmel in verschiedenen Bildern an. So heißt es: „Der Tempel
Gottes im Himmel wurde geöffnet und in seinem Tempel wurde die Lade des
Bundes sichtbar“ (Offb 11, 19). Die aus feinstem Akazienholz gefertigte
Bundeslade, Ort der besonderen Gegenwart Gottes im Alten Bund, ist ein
Bild für den makellosen Leib Mariens, welcher den Sohn Gottes getragen
hat. Maria ist somit die wahre Bundeslade. Sie hatte dem Herrn ihre
Seele geöffnet und wurde so zum wahren Tempel, in dem Gott auf dieser
Erde gegenwärtig geworden ist. Weil Maria hier auf Erden die Wohnung
Gottes war, ist bereits ihre eigene ewige Wohnstatt im Himmel, das
heißt, in Gott, vorbereitet.
Wie Maria dürfen auch wir schon hier auf Erden Wohnstatt Gottes sein.
Sind wir nicht bereits in der Taufe zu einem Tempel Gottes geworden?
Hält nicht in jeder hl. Kommunion unser Herr und Gott selbst Einzug in
unser Herz? Je mehr wir Gott in unserem Leben Raum geben, umso mehr
kann der Herr uns einen Platz im Himmel vorbereiten. Wo wird dieser
Platz sein? Der Himmel ist die Liebe Gottes: Gott ist so groß, dass er
auch für uns in seinem Vaterherzen Platz hat. Und so sind wir dazu
gerufen einmal mit unserem ganzen Menschsein, mit Leib und Seele, auf
ewig bei Gott und in Gott zu sein.
Die mit der Sonne bekleidete Frau
Werfen wir einen Blick auf das andere Bild der Offenbarung: „Dann
erschien ein großes Zeichen am Himmel: eine Frau, mit der Sonne
bekleidet“ (Offb 12,1). Maria ist mit der Sonne, also mit Gott,
bekleidet. Sie lebt ganz in Gott, ist umgeben und durchdrungen vom Licht
Gottes. Ist es da nicht ein besonderer Erweis der Liebe Gottes, dass
der ehrwürdige Diener Gottes, Papst Pius XII, aus Anlass der
Dogmenverkündigung das Geheimnis der „sonnenumkleidete Frau“ mehrmals
schauen durfte. Er, der seine Bischofsweihe am 13. Mai 1917, dem Tag der
ersten Erscheinung Mariens in Fatima, empfing, durfte das Sonnenwunder
von Fatima insgesamt viermal erleben. So sah er es am 30. Oktober 1950,
als er in den Vatikanischen Gärten seinen nachmittäglichen Spaziergang
machte, ebenso am 31. Oktober, am 1. November, dem Tag der
Dogmenverkündigung, und nochmals eine Woche später, am 8. November. Er
sah darin eine Bestätigung des Himmels für das, was er im Begriff war
zu vollziehen bzw. vollzogen hatte.
Das Sonnenwunder von Fatima ist ja gleichsam die Fortsetzung der Vision
der sonnenumkleideten Frau des 12. Kapitels der geheimen Offenbarung. In
der Tat, als Maria am 13. Oktober in Fatima erschien, öffnete sie ihre
Hände, wobei das Licht, das von ihr ausging, leuchtender war als die
Strahlen der Sonne und sich mit dem Sonnenlicht vereinte. Während die
übrigen Menschen das Sonnenwunder sahen, durften die Seherkinder in der
Sonne die Gottesmutter in drei verschiedenen Formen betrachten, welche
die freudenreichen, schmerzhaften und glorreichen Geheimnisse des
Rosenkranzes darstellten.
Die Rosenkranzgeheimnisse, die den Weg Mariens nachzeichnen, beginnen
mit dem Geheimnis der Verkündigung. Das Leben Mariens war ganz vom
Heiligen Geist geleitet und somit ein stetiger Aufstieg zu Gott. Maria
folgt Jesus von Betlehem über Nazareth, im verborgenen und öffentlichen
Leben, bis hin unters Kreuz. Auch in den Augenblicken der Dunkelheit und
des Leides stimmt sie bedingungslos dem Liebesplan Gottes zu.
Und so sagt sie, die nun in der Herrlichkeit des Himmels ist und das Tal
der Tränen hinter sich gelassen hat, zu uns: Habt Mut, am Ende siegt
die Liebe! Mein Leben war es zu sagen: Ich bin die Magd des Herrn. Mein
Leben war Hingabe an Gott und an den Nächsten. Und dieses mein Leben des
Dienens ist jetzt in das ewige Leben eingemündet. Habt Vertrauen, habt
den Mut, meinem Sohn nachzufolgen und euer Leben Gott zu schenken. So
wird auch euer Leben von Gott verklärt und ewigkeitswerthaft werden.
Maria – «Hodegetria»
Das Hochfest der Aufnahme Mariens in den Himmel zeigt uns also, dass
Christus an Maria, seiner heiligsten Mutter, bereits vollbracht hat, was
uns allen verheißen ist: Das Leben in Fülle. Der Tod ist endgültig
überwunden. Maria lebt für immer bei Gott - mit Leib und Seele!
Im Tagesgebet von Maria Himmelfahrt betet die Kirche: «Gib, dass wir auf
[Maria], dieses sichere Zeichen der Hoffnung und des Trostes schauen,
und auf dem Weg bleiben, der hinführt zu Deiner Herrlichkeit.» Maria ist
den Weg des Glaubens gegangen bis hin zur Vollendung. Deshalb dürfen
wir auf sie schauen und sie wird uns helfen, auf dem Weg zum ewigen Ziel
zu bleiben. Und darüber hinaus brauchen wir schon jetzt ihre Hilfe,
damit wir in diesem Leben den rechten Weg nicht verlieren. Deshalb ist
sie für uns Wegweiserin und Wegbegleiterin.
In der Ostkirche gibt es eine bekannte Ikone, welche den Namen
«Hodegetria» trägt. Das heißt wörtlich übersetzt: die «Wegbegleiterin».
Diese Ikone hat ihren Namen von einer Kirche in Konstantinopel, die am
Weg ins Heilige Land stand. Bevor die Pilger den gefährlichen Weg durch
Kleinasien antraten, knieten sie vor dem Marienbild in dieser Kirche
nieder und erbaten sich den Segen Gottes und den Schutz und die Führung
Mariens. Sie haben Maria als Wegweiserin und Wegbegleiterin angerufen
auf dem Weg ins Heilige Land. Im übertragenen Sinne dürfen auch wir die
Muttergottes anrufen als Wegweiserin und Wegbegleiterin auf unserem
Lebensweg, auf unserem Weg ins „verheißene Land“, ins Ewige Leben.
Papst Benedikt XVI. erklärt dazu: „Das ist der gesamte Inhalt des Dogmas
von der Aufnahme Marias mit Leib und Seele in die himmlische
Herrlichkeit... Maria ist „selig“, weil sie – vollkommen, mit Leib und
Seele und für immer – die Wohnung des Herrn geworden ist. Wenn das wahr
ist, lädt Maria uns nicht nur einfach zu Bewunderung und Verehrung ein,
sondern sie führt uns, weist uns den Weg des Lebens, zeigt uns, wie wir
selig werden und den Weg der Glückseligkeit finden können.“ (15.8.2006)
Auf der ostkirchlichen Ikone der «Hodegetria» ist Maria dargestellt mit
dem Jesuskind auf dem linken Arm. Mit der rechten Hand zeigt sie auf
Jesus. Maria, die Wegweiserin, zeigt uns den Weg, nämlich Christus, der
von sich selbst gesagt hat, dass er der Weg ist (vgl. Joh 14,6).
Im Evangelium sind nur wenige Worte Mariens überliefert, aber diese wenigen Worte sind Wegweisung für unser Leben als Christen.
Als Maria bei der Verkündigung den Plan Gottes erfuhr und ihre Berufung
und Auserwählung, Mutter Gottes zu sein, sagte sie: „Siehe, ich bin die
Magd des Herrn, mir geschehe, wie du gesagt hast.“ Mir geschehe! Maria
hatte die Bereitschaft, sich ganz Gott zu überlassen und Gott in ihrem
Leben wirken zu lassen. Auf dem Wegweiser stehen gewissermaßen die
Worte: Mir geschehe. Das heißt für uns: Lassen wir unser Leben von Gott
bestimmen, lassen wir unser Leben vom Glauben und vom Evangelium
beeinflussen.
Ein anderes Wort Mariens im Evangelium ist ebenfalls ein Wort der
„Wegweisung“: Bei der Hochzeit zu Kana weist sie auf Jesus hin und sagt:
„Was er euch sagt, das tut!“ Auch uns gibt Maria die Wegweisung: was
Jesus euch sagt (im Evangelium), das tut! Nicht was die anderen sagen
oder der Zeitgeist diktiert, sondern „was Er euch sagt, das tut“.
Wenn Menschen nicht auf die Wegweiser achten, verlieren sie den Weg.
Wenn gläubige Katholiken nicht auf Maria, die Wegweiserin, schauen,
verlieren sie den Weg, Christus. Und sie verlieren nicht nur den Weg,
sondern mit dem Weg auch die Wahrheit und das Leben (vgl. Joh 14,6). Sie
verlieren den Glauben und damit jedes Fundament für ein moralisch
richtiges Entscheiden und Handeln. Das ist ein Faktum, das sich immer
wieder bewahrheitet.
Wir brauchen Maria
Es gibt ein sehr bekanntes und oft zitiertes Wort des Theologen Karl
Rahner: „Der Christ der Zukunft ist ein Mystiker oder er ist nicht“.
Jemand hat in Analogie zu diesem Wort einmal formuliert: „Der Christ der
Zukunft ist entweder marianisch oder er ist nicht.“
Wir Menschen brauchen Wegweiser, die gerade stehen, die uns klar und
eindeutig den Weg zum Ziel anzeigen, auch wenn dieser Weg oft steil und
steinig ist. Maria ist ein solcher Wegweiser, der uns nicht den
einfachen und bequemen Weg zeigt, den „Weg des geringsten Widerstandes“,
sondern den Weg des Evangeliums, den Weg Jesu, den Kreuz-Weg, der zum
Kalvarienberg führen kann, aber dort gewiss nicht endet. Der Weg des
Glaubens endet nicht am Kreuz, sondern in der Auferstehung, im Ewigen
Leben. In diesem Sinne dürfen wir uns die Worte des hl. Bernhard von
Clairvaux zu Herzen nehmen, der über Maria sagt:
„Folge ihr, und du verirrst dich nicht;
rufe sie an, und du verzweifelst nicht;
denke an sie, und du gehst nicht fehl.
Wenn sie dich hält, fällst du nicht;
wenn sie dich schützt, hast du nichts zu fürchten;
wenn sie dich führt, ermüdest du nicht;
ist sie dir gnädig, dann kommst du ans Ziel.“
Amen.
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