Als Priester darf man immer wieder
erfahren, wie sehr das Bild des „Barmherzigen Jesus“ (gemalt nach
Visionen und Angaben der hl. Sr. Faustina Kowalska) die Menschen
anspricht und wie viele durch das Gebet vor diesem Bild wieder zum
Glauben zurückgefunden haben – oft mit einer sehr persönlichen Beziehung
zu unserem Herrn und Heiland.
Darin liegt auch die Gnade, die Gott durch dieses Bild schenken möchte:
dass viele durch die Betrachtung dieses Bildes wieder neu Vertrauen in
die Barmherzigkeit Gottes gewinnen. Die hl. Sr. Faustina Kowalska
erhielt von Jesus den Auftrag:
«Male ein Bild, nach dem, was du siehst, mit der Unterschrift: Jesus,
ich vertraue auf Dich» (Tagebuch, 47). «Ich überreiche den Menschen ein
Gefäß, mit dem sie zur Quelle der Barmherzigkeit um Gnaden kommen
sollen. Dieses Gefäß ist das Bild mit der Unterschrift: Jesus, ich
vertraue auf Dich» (Tagebuch, 327).
Und er gab die trostvolle Verheißung:
«Durch dieses Bild werde Ich viele Gnaden erteilen und dadurch hat jede Seele den Zugang zu Mir» (Tagebuch 570).
Immer wieder hörte die hl. Schwester Faustina die Worte des Herrn: «Ich
wünsche, dass dieses Bild öffentlich verehrt wird.» Zum Weißen Sonntag
1935 wurde das ursprünglich gemalte Bild in der "Ostra Brama", dem
berühmten Marienheiligtum von Vilnius/Litauen (damals Wilno/Polen),
ausgestellt. Dazu lesen wir folgenden Eintrag im Tagebuch der hl. Sr.
Faustina:
«Als das Bild ausgestellt worden war, sah ich eine lebendige Bewegung
der Hand Jesu; er machte ein großes Kreuzzeichen. Am gleichen Abend, als
ich mich zur Ruhe gelegt hatte, sah ich, wie das Bild über der Stadt
hing. Die Stadt war mit Schlingen und Fangnetzen bestückt. Als Jesus
vorüberging, durchschnitt Er alle Schlingen, er zeichnete am Ende ein
großes Kreuz und entschwand. Ich sah mich inmitten vieler boshafter
Gestalten, die mir großen Hass entgegensprühten. Aus ihrem Mund kamen
verschiedene Drohungen, doch keine von ihnen berührte mich.»
Tatsächlich blieb die Stadt Vilnius im Zweiten Weltkrieg verschont,
ebenso Krakau. Das waren die einzigen Städte, in denen damals das Bild
des «Barmherzigen Jesus» öffentlich verehrt wurde. Als die polnischen
Bischöfe nach dem Zweiten Weltkrieg die furchtbaren Zerstörungen ihres
Landes erwogen, gelangten sie zu der Überzeugung, dass die wunderbare
Verschonung der beiden Städte Krakau und Vilnius mit der öffentlichen
Verehrung des Bildes vom «Barmherzigen Jesus» zusammenhingen.
Überwältigt von dieser Erfahrung ordneten sie an, das Bild in allen
Kapellen und Kirchen des Landes anzubringen.
Als der polnische Papst, der sel. Johannes Paul II. 1997, also mehr als
50 Jahre später, das Heiligtum der Barmherzigkeit in Lagiewniki bei
Krakau besuchte und einweihte, hat er das mit folgenden Worten getan:
«Der Mensch braucht nichts mehr als die Barmherzigkeit Gottes, also jene
Liebe, die das Gute will, die den Menschen trotz seiner Schwachheit zu
Gott erhebt. An diesem Ort werden wir uns dieser Notwendigkeit ganz
besonders bewusst. Von hier ist die Botschaft der Barmherzigkeit Gottes
ausgegangen, die der Herr selbst der Menschheit durch Sr. Faustina
mitteilen wollte. Es ist eine klare und für alle verständliche
Botschaft. Jeder, der hierherkommt oder einfach das Bild des
Barmherzigen Jesus betrachtet, spürt in sich das, was der Herr zu Sr.
Faustina gesagt hat: ‹Fürchte nichts. Ich bin immer bei Dir›. (TB q.
II). Und wir sind eingeladen zu antworten: ‹Jesus, ich vertraue auf
Dich.›»
Eindringlich mahnend fährt der Hl. Vater fort:
«Niemals und in keinem Augenblick der Geschichte der Menschheit darf die
Kirche das Gebet um die Barmherzigkeit Gottes vergessen, gerade heute
angesichts der vielen Gefahren, die die Menschheit bedrohen. Je mehr die
Menschen die Bedeutung der Barmherzigkeit Gottes vergessen, umso mehr
entfernen sie sich von Gott.»
Wie es im Tagebuch der hl. Schwester Faustina festgehalten ist,
bezeichnete Jesus die Zuflucht zu seiner Barmherzigkeit wiederholt als
«letzten Rettungsanker für die Menschheit». Mit großer Zuversicht setzt
der selige Papst die Barmherzigkeit Gottes als Mittel zur Lösung
weltpolitischer Probleme ein. Ein solcher Schritt erfordert ein
kindliches Vertrauen in die Worte Jesu, die er durch eine einfache
Ordensschwester an die ganze Welt gerichtet hat: «ICH ERSEHNE, DASS DIE
GANZE WELT MEINE BARMHERZIGKEIT ERKENNT» (Tagebuch, 687).
Es darf dabei als glückliche Fügung betrachtet werden, dass Johannes
Paul II. vor seiner Wahl zum Papst in seiner Eigenschaft als Bischof von
Krakau den Fall der übernatürlichen Offenbarungen der Schwester
Faustina begutachtet und nach jahrzehntelanger intensiver Prüfung zur
kirchlichen Anerkennung geführt hat. So erklärte er bei seinem
Amtsantritt, sein Pontifikat solle ein großer Lobpreis auf die
Barmherzigkeit Gottes werden. Dieses Programm unterstrich er durch die
Enzyklika «Dives in misericordia» – «Reich ist Gott an Barmherzigkeit».
Welche Freude war es für die Kirche und ihre Gläubigen, als der Papst
seine Entscheidung, dass der Sonntag nach Ostern als Sonntag der
Barmherzigkeit Gottes gefeiert werden soll, im Rahmen der
Heiligsprechung von Sr. Faustina bekannt gab!
Was hat den Papst dazu bewegt? Ich denke, der Papst wollte die Kirche
und die Menschen zu einem richtigen, authentischen Gottesbild führen.
Jeder Einzelne muss sich immer wieder die Frage stellen, welches Bild
wir von Gott haben.
- Ist Gott für mich der «gnadenlose Richter», der für uns Menschen
strenge Gebote erlassen hat und nur darauf wartet mich zu bestrafen,
wenn ich sündige? Ist Gott derjenige, der meine Freiheit einschränkt;
mir nicht erlaubt, so zu leben, wie ich es will?
- Oder ist Gott für mich der Vater, der mich liebt? Der Vater, dem ich wichtig bin, der mich glücklich machen will.
- Ist Gott für mich ein barmherziger und gütiger Gott – oder der strafende Rächer?
Schon das Wort «Barmherzigkeit» sagt viel über das Wesen Gottes aus –
wer Gott für uns ist. Dieser aus zwei Worten zusammengesetzte Begriff
entstammt dem Althochdeutschen und meint in seiner ursprünglichen
Bedeutung «wer ein Herz für die Unglücklichen, für die Armen hat». Ja,
Gott ist voll tiefen Mitleids mit uns und hat wirklich ein Herz für uns
Armseligen. In seinem Sohn schenkt er es uns, und lässt es am Kreuz für
alle sichtbar weit öffnen. Ist doch eine der Bedeutungen des
Gottesnamens Jahwe: «Ich bin der, der für euch da ist». Gott hat ein
Herz für uns und unsere Nöte, und es schmerzt ihn, wenn wir leiden
müssen. Er ist nicht der Urheber des Bösen, seien es Kriege,
Katastrophen oder persönliche Schicksalsschläge.
Er kann dies aber sehr wohl zur Warnung und zur Strafe zulassen. Wir
Menschen haben eben die Freiheit. Wir können uns für das Gute
entscheiden, was Gott freut, – aber wir haben auch die Freiheit, uns für
das Böse zu entscheiden. Das schmerzt Gott, doch in seinem
unbegreiflichen Großmut respektiert er unsere Freiheit und lässt es zu
unserem Besten zu.
Denn Gott kann selbst aus dem schlimmsten Übel noch Gutes wirken. Das
größte Unrecht, die größte Sünde, welche in der Geschichte der
Menschheit je geschehen ist, war, den Sohn Gottes ans Kreuz zu schlagen.
Aber gerade dadurch hat Gott uns erlöst. Das ist die «glückliche
Schuld», von der das Exultet in der Osternacht kündet: «O glückliche
Schuld, welch großen Erlöser hast du gefunden.»
Die Barmherzigkeit Gottes fordert uns immer wieder heraus, barmherzig zu
sein mit unserem Nächsten, mit den Schwächen und Fehlern des
Mitmenschen. Barmherzigkeit heißt ja nicht: das Unrecht gutheißen, die
Sünde ignorieren oder unter den Teppich kehren. Barmherzigkeit bedeutet
immer ein «Trotzdem». So wie Gott uns trotzdem liebt, trotz unserer
Sünden und Schwächen, so sollen auch wir den Nächsten trotzdem lieben.
Und bedenken wir dabei, dass wir selbst es sind, die immer wieder auf
die Barmherzigkeit Gottes angewiesen sind. Je mehr wir uns unserer
eigenen Schwachheit bewusst sind, je mehr wir auch erfahren, wie Gott
mit uns barmherzig ist, umso leichter wird es uns fallen, unserem
Mitmenschen – auch dem, der sich gegen uns verfehlt hat – Barmherzigkeit
zu zeigen.
Wir alle brauchen letztlich die Barmherzigkeit Gottes. Wir alle dürfen
und sollen voll Zuversicht den vom Himmel angebotenen «Rettungsanker für
die Menschheit» ergreifen. Der Rettungsanker ist nicht das Bild des
Barmherzigen Jesus selbst. Der Rettungsanker ist allein die
Barmherzigkeit Gottes. Nur durch ein echtes Vertrauen ebnen wir der
barmherzigen Liebe Gottes den Weg in unser Leben und unser Herz.
Darüber hinaus will Gott, dass wir Menschen eindeutig erkennen, woher
unsere Rettung kommt. Nur so können wir ihm für seine barmherzige Liebe
entsprechend danken. Deshalb gibt er uns die äußeren Zeichen und
verbindet deren Annahme mit göttlichen Verheißungen. Wer sich darauf
einlässt und die versprochenen Gnaden empfängt, wird dadurch die Macht
Seiner Barmherzigkeit entdecken und tiefer in das Geheimnis Seiner Liebe
eindringen.
In diesem Sinn ist auch die von Jesus selbst gewünschte Unterschrift
unter dem Bild des Barmherzigen Jesus zu verstehen: «Jesus, ich vertraue
auf Dich!» So ist das Bild mit dem gütigen Blick Jesu und seinem
geöffneten Herzen eine Einladung, ja eine Aufforderung, unsere
Aufmerksamkeit auf die Barmherzigkeit Gottes zu richten und unser
Vertrauen auf sie zu setzen.
Vertrauen wir auf die göttliche Barmherzigkeit. Vertrauen wir auf die Worte Jesu an die hl. Schwester Faustina:
"Aus Meiner Barmherzigkeit schöpft man Gnaden mit nur einem Gefäß - und
das ist das Vertrauen. Je mehr eine Seele vertraut, um so mehr bekommt
sie. Seelen, die unbegrenzt vertrauen, sind Mir eine große Freude, denn
in solche Seelen gieße Ich alle Meine Gnadenschätze. Es freut Mich, dass
sie viel verlangen, denn es ist Mein Wunsch, viel zu geben, und zwar
sehr viel. Es betrübt Mich dagegen, wenn die Seelen wenig verlangen und
ihr Herz verengen" (Tagebuch, 1578).
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