Unter den katholischen Priestern gibt es weniger als ein Prozent, die sich sexuell an Kindern vergangen haben. Die mehr als 99% der Priester, die mit solch schrecklichen Missbrauchsfällen nie im Geringsten etwas zu tun hatten, sind im gegenwärtigen medialen aber auch kirchlichen Klima Generalverdächtigungen ausgesetzt, die ihnen ihren priesterlichen Dienst und ihre Sorge für die Herde oft schwer bis unmöglich machen. Hier einige Fakten:
Die Erzdiözese Philadelphia in den USA hat im März dieses Jahres insgesamt 21 Priester wegen angeblicher Missbrauchsvorwürfen vorläufig suspendiert. Kardinal Justin Rigali reagierte damit auf den Bericht einer gerichtlichen Anklagejury. Nach einer Erklärung der Erzdiözese beauftragte Rigali eine ehemalige Staatsanwältin mit der Prüfung von Verdachtsfällen. Aufgrund ihrer Empfehlungen wurden 21 aktive Priester „beurlaubt“.
Auf Grund der „positiven Reaktionen“ und des „Lobes“ in den Medien für Kardinal Rigali sind viele seiner bischöflichen Mitbrüder seinem Beispiel gefolgt und haben in den Medien groß gepunktet. Keine Frage: Die „Null-Toleranz-Politik“ gegenüber Priestern, die sich an den Unschuldigsten der Unschuldigen vergangen haben, ist Auftrag des sel. Papstes Johanns Paul II. und seines Nachfolgers Papst Benedikt XVI.. Es darf hier nicht den geringsten Zweifel geben, dass schuldige Priester zur Rechenschaft gezogen werden und dass sie nie wieder jemandem schaden können. Ich schreibe bewusst: „schuldige Priester“. Denn solange kein Vergehen nachgewiesen wurde, gilt in unserem Rechtssystem und ist sowohl ethisch als auch moralisch richtig: „unschuldig, bis das Gegenteil bewiesen ist“.
Nicht nur in den USA, sondern auch im deutschsprachigen Raum gilt aber für Priester mittlerweile weitgehend das gegenteilige Prinzip: „schuldig, bis das Gegenteil bewiesen ist.“ Für Priester scheint es keine Unschuldsvermutung mehr zu geben. Die Vorwürfe gegen den Direktor der päpstlichen Missionswerke in Österreich (Missio), Msgr. Dr. Leo Maasburg, haben das erneut gezeigt. Diesem hochverdiente und tiefgläubige Priester wurde sexuelle Nötigung vorgeworfen. Die Medien haben sich binnen Stunden auf diese story gestürzt und einen Schuldspruch gefällt. Nachdem P. Maasburg entlastet wurde und alle Vorwürfe sowohl von kirchlicher als auch staatlicher Seite ausgeräumt wurden, haben die wenigsten Medien davon berichtet.
Ich habe keinen Zweifel daran, dass einige der 21 suspendierten Priester aus der Diözese Philadelphia fälschlich angeklagt wurden und unschuldig sind. Vielleicht kann die Frage der Unschuldsvermutung eine Gelegenheit seit, etwas Grundsätzliches über den priesterlichen Dienst zu sagen.
Schuldig, bis das Gegenteil bewiesen ist
Wie halten wir Gläubige es mit der Unschuldsvermutung? Liebe Gläubige, wie gehen Sie mit ihrem Priester um?
„Ja, sicher nicht immer gerecht oder verständnisvoll“ mögen viele antworten. „Aber dürfen wir von unseren Priestern nicht auch einen höheren Standard erwarten? Immerhin sind sie es, die uns zu Gott führen sollen. Und was, wenn er sich wirklich Vergehen welcher Art auch immer schuldig gemacht hat? Die Kirche fordert eine Null-Toleranz-Politik.“ Dieser Einwand ist richtig und gerechtfertigt. Ist es nicht besser, dass ein unschuldiger Priester „aus dem Verkehr gezogen“ wird als dass ein schuldiger weiterhin Böses tun kann. Aber bedenken wir dabei eines. Es geht hier um das Schicksal eines Menschen, eines Individuums, eines Priesters, der von der öffentlichen Meinung bereits verurteilt ist, bevor noch die Anklage formuliert ist. Da es de facto keine Unschuldsvermutung für Priester mehr gibt, ist im gegenwärtigen kirchlichen und medialen Klima jeder Priester Schuld an irgendwas. Einige Priester werden wegen der geringsten und absurdesten Verdächtigungen suspendiert. Oft steht Wort gegen Wort und es kann zu keiner Lösung kommen.
Absurde Vorwürfe und unbegründete Suspendierungen
So werden Priester, die Gott ihr ganzes Leben zur Verfügung gestellt hat, die mit Begeisterung und oft unter großen Opfern den Weg zum Altar gefunden haben, von der eigenen Diözese und vom eigenen Bischof einfach „entsorgt“ im wahrsten Sinne des Wortes. Man sorgt sich nicht um ihn, man sorgt nicht für ihn, man will die Sorge um ihn los werden. Wie steht es da oft mit der väterlichen Sorgepflicht des Bischofs oder der Oberen? In vielen Fällen werden Priester einfach schriftlich von ihrer Suspendierung informiert, ohne Angabe von Gründen. Und wenn Gründe angegeben werden, sind diese oft absurd und lächerlich, wie folgende Beispiele zeigen:
Einer der 21 suspendierten Priester in Philadelphia wurde bei der Diözese von der Mutter einer vierzehnjährigen angezeigt, da die Mutter die Handy-Nummer des Priesters auf dem Mobil-Telefon ihrer Tochter fand. Die Erklärung des Priesters wird von 30 anderen Jugendlichen bestätigt. Bei einem Ausflug in einen Erlebnispark hat der Priester am Beginn alle Jugendlichen gebeten, seine Handynummer ins eigene Handy zu speichern. Falls jemand verloren geht oder Hilfe braucht, können sie den priester jederzeit erreichen. Sehr verantwortungsvoll und weitblickend von dem Priester. Und trotz dieser Erklärung, die von allen, die beim Ausflug dabei waren, bestätigt wurde und obwohl die besagte Mutter ihre Beschwerde zurückzog, bleibt der Priester suspendiert.
Hier ein anderes Beispiel: Ein Priester hat mir seinen Ministranten Fußball gespielt. Als der Priester ein Tor schoss, sind ihm die Buben seiner Mannschaft um den Hals gefallen, so wie sie es im Fernsehen sehen und wie es erwachsene Männer und Fußballstars wie Messi oder Ronaldo oder andere Top-Fußballer mit Millionengehalt tun. Eine Mutter hat auf Grund des gemeinsamen Torjubels Beschwerde beim Bischof eingelegt und der Priester wurde umgehend suspendiert.
Viele Priester im deutschsprachigen Raum spenden vor der Erstkommunion das Sakrament der Beichte – wenn sie es überhaupt spenden – nur noch im Altarraum der Kirche. Der Priester sitzt auf der einen Seite des Altares, das Erstkommunionskind auf der anderen Seite. In der Kirche wird laut gesungen oder gebetet, so dass das Beichtgeheimnis gewahrt bleibt. Der Priester nimmt die Beichte nur dann ab, wenn sowohl Vater als auch Mutter in der Kirche sind und von den Bänken aus bezeugen, wie ihr Kind beim Priester beichtet.
Echte Seelsorge wird unmöglich gemacht
Viele Priester lassen keinen Menschen mehr in das Pfarrhaus. Weder Frauen noch Männer noch Kinder noch Mitbrüder. Sakristeien von Priestern, die nicht unschuldig angeklagt werden möchten, weil sie vielleicht einem Buben beim schnüren des Ministrantenkoten helfen, haben aus ihrer Sakristei entweder ein Sperrgebiet gemacht und ziehen es vor, die Heilige Messe ohne Ministranten zu feiern oder sie verlangen, dass zwei Vertrauenspersonen des Pfarrgemeinderates präsent sind. Viele Priester, die das Sakrament der Beichte noch schätzen, bieten keine Beichte mehr an. Es ist einfach „zu riskant“. Was, wenn ich missverstanden werde? Was, wenn sich jemand beim Bischof beschwert? Ich werde suspendiert und weiß vielleicht nicht mal warum. Der Bischof will meine Version der Geschichte gar nicht wissen.
Bedenken wir die Folgen: Echte Seelsorge wird dem Priester unmöglich gemacht. Seelsorgsgespräche können nur noch in der Öffentlichkeit geführt werden. Die meisten Priester haben aufgehört, Katechese oder Erstkommunionvorbereitung oder Firmunterricht zu geben – außer mindestens 2 Erwachsene (bei einem einzigen Zeugen stünde wieder Wort gegen Wort) sind als Zeugen gegenwärtig. Auf die Auswirkungen auf Berufungen brauche ich gar nicht zu sprechen. In vielen Diözesen findet derzeit ein Exodus der Seminaristen statt. Allein in Philadelphia sollen 80 Prozent der Priesteramtskandidaten ihren Weg beendet haben. Rein menschlich betrachtet durchaus verständlich.
Natürlich kann man sagen, wir Priester haben uns durch das schändliche, sündhafte und abscheuliche Verhalten einiger schwarzer Schafe diese Situation selbst zuzuschreiben, jetzt sollen wir die Suppe auch auslöffeln. Richtig! Aber bedenken wir: Welche Blüten wird die gegenwärtige Atmosphäre in der Kirche noch treiben? Jeder halbwegs vernünftige Mensch schüttelt den Kopf wenn er sieht, auf welche kuriose und erfinderische Art und Weise Priester heute Seelsorge machen müssen, um sich selbst und den eigenen guten Ruf zu schützen. Ja, es stellt sich die Frage: Ist Seelsorge, ist echter priesterlicher Dienst unter diesen Voraussetzungen überhaupt noch möglich?
Plädoyer für etwas mehr Hausverstand
Ist dieser Artikel eine maßlose Übertreibung? So schlimm kann es doch nicht sein, habe ich kürzlich gehört. Und doch sind es Fakten. Dieser Artikel soll daher als eine Art „Plädoyer für etwas mehr Hausverstand“ gesehen werden. Wo sind die Bischöfe, die eher darauf bedacht sind, nicht bei den Medien in Ungnade zu fallen statt sich für die eigenen Priester einzusetzen, solange keine Schuld bewiesen ist? Guido Horst spricht in seinem Blog von „Schleicher-Bischöfen“. Ein Nuntius hat die Bischöfe seines eigenen Einsatzlandes als „zu vorsichtig und ängstlich, ohne Festigkeit in ihren Stellungnahmen“ bezeichnet. Horst spricht von einer „Generation von Bischöfen, die auf fünf Zentimeter dicken Kreppsohlen durch die Gänge schleichen und sich, da sie es nun einmal nicht allen recht machen können, die Wand entlang drücken, in der Hoffnung, niemanden zur Rede stellen zu müssen oder selber zur Rede gestellt zu werden. Oder die froh sind, wenn sie ein Problem an die Bischofskonferenz oder den Vatikan "überweisen" können. - Ausnahmen bestätigen die Regel“
Ist es nicht vollkommen skurril, dass Priester wegen des absurden Verdachtes eines Verdachtes bezüglich einer noch absurderen Sache umgehend suspendiert werden (wobei sich viele Diözesanverantwortliche selbst medial auf die Schulter klopfen) und zugleich starten in Österreich über 300 Priester eine „Pfarrer-Initiative“ mit dem offenen“Aufruf zum Ungehorsam“. Die sieben Thesen, die sie auf ihre homepage nageln, stehen alle im offenen Widerspruch zur Lehre der Kirche und zum Evangelium. Wieso sind diese Priester immer noch in ihren Pfarreien tätig? Weshalb wurden sie nicht suspendiert?
Keiner dieser Dissidenten wurde zum gezwungen, Priester zu werden. Keiner von ihnen hat seinem Bischof und dessen Nachfolgern (oder dem Oberen) den Gehorsam unter Zwang oder Drohung versprochen. Jeder berufstätige Mensch muss sich wundern, dass diese Priester nicht schon lange suspendiert sind. De facto haben sie sich ja selbst außerhalb der Kirche positioniert.
Wird hier nicht mit zweierlei Maß gemessen? Natürlich kann man Äpfel nicht mit Birnen vergleichen. Aber warum beruft man sich bzgl. der Dissidenten auf die Notwendigkeit eines Dialoges und respektiert ihr „persönliches Gewissen“ (das neuerdings anscheinend über der göttlichen Offenbarung steht) und gegenüber treuen und gehorsamen Priestern, die suspendiert werden, weil sie sich weigern die hl. Messe zum Volk hin zu zelebrieren, besteht der Dialog meist darin, dass dem suspendierten Priester ausgerichtet wird, dass der Bischof „aus Zeitgründen“ nicht mit ihm sprechen „kann“.
Wie notwendig brauchen wir Bischöfe und Gläubige mit mehr „gesundem Hausverstand“, wie man in Österreich sagt. Es gab sie mal. In der Zeit, wo die Bischöfe sich nicht vor den Medien fürchteten und wie fliehende Hirten waren. Es ist ja nicht das erste mal, dass diese Gruppe von Priestern „den Aufstand proben“. Aber unsere Bischöfe haben nie richtig reagiert, hatten nie den Mut gehabt klar gegen antikirchliche Bewegungen Stellung zu beziehen bzw. auch die Konsequenzen zu ziehen. Und wenn sie es heute tun, dann werden sie weder von den Medien, noch vom den Dissidenten noch vom Kirchenvolk ernst genommen.
Was sollen wir tun?
Die Antwort auf diese besorgniserregende Situation vieler Priester liegt in zwei Wörtern: Gehorsam und Gebet. Und daraus wächst das Vertrauen auf die liebende, gütige göttliche Vorsehung.
Alle Priester, die zu unrecht angeklagt sind oder unter Pauschalverdächtigungen leiden, möchte ich das Beispiel des hl. P. Pio in Erinnerung rufen. Alle möglichen und unmöglichen Vorwürfe wurden ihm gemacht. Er war Verdächtigungen ausgesetzt. Und dennoch hat er alle kirchlichen Disziplinarmassnahmen und Verbote und so ungerecht und ungerechtfertigt und schwer sie auch waren, in Demut und im Gehorsam angenommen. Er hat das priesterliche Leben als Opferleben akzeptiert und sich nicht dagegen aufgelehnt. Er ließ sich wie ein Lamm zum Opfer führen. Und gerade diese Haltung brachte ihn dem Herrn immer näher. Wäre es nicht auch ein immenser Trost für unseren Herrn und Heiland Jesus Christus, wenn viele treue und unschuldig angeklagte Priester durch ihren „leidenden“ Gehorsam den Ungehorsam so vieler anderer Priester sühnen und durch das Erleiden von Verdächtigungen Wiedergutmachung leisten für diejenigen, die nicht nur im offenen Ungehorsam leben sondern auch andere zum Ungehorsam auffordern. Fr. Dwight Longenecker schrieb kürzlich auf seinem blog: „P. Pio ist das Beispiel, dem es zu folgen gilt. Und jeder Priester der in diesen schrecklichen Zeiten gewissermaßen täglich auf den Anruf wartet, der ihm mitteilt, dass er angeklagt oder suspendiert wurde, soll schon jetzt diesen Vorsatz machen. Uns wurde der Weg des Kreuzes versprochen. Entscheiden wir uns täglich neu dafür, dann wird uns keine Ungerechtigkeit überraschen.“
Für die Gläubigen kann dieser Artikel ein Aufruf sein, sich wieder mehr im Gebet für die Priester einzusetzen. Oder so manche mögen den Wunsch verspüren, Gott für das Geschenk des Priestertums und für gute und heilige Priester im Gebet zu danken. Andere werden sich vielleicht eingeladen fühlen, dem einen oder anderen Priester ein aufmunterndes Wort zu sagen.
Für uns alle mögen aber die Worte und das Beispiel unseres Herrn Jesus Christus Orientierung sein: „Richtet nicht, dann werdet auch ihr nicht gerichtet werden. Verurteilt nicht, dann werdet auch ihr nicht verurteilt werden.“ (Lk 6,37) Wäre es nicht billig und recht, sich das nächste mal, wenn sie in den Medien von Vorwürfen und Anklagen gegen einen Priester hören zuerst mal fragen: Ist seine Schuld bewiesen? Bin ich es Gott und dem Angeklagten nicht schuldig, von seiner Unschuld auszugehen, bis seine Schuld bewiesen ist. Wenn die Menge schreit: „Kreuzige ihn!“ nicht einzustimmen sondern ins Gebet zu gehen… Dazu gehört Mut! Und Gnade.
(Leitartikel des „Schweizerisch Kathoischen Sonntagsblattes“ Nr. 15/11.)
ja, genau so ist es heutzutage. Aber so war es schon mehrmals in Deutschland. Wer nicht MIT den Wölfen heult, wird von den Wölfen gefressen. Und nachher will keiner Wolf gewesen sein.
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